Weg des Zorns 01 - Die Kriegerin
vermeintlich Schutz bietenden Berge rennen, während drei Sturmshuttles ihnen schon folgten, und die schweren Geschütze der Raumfähren dröhnten erbarmungslos. Das alles sah Alicia, doch sie hatte dafür keine Zeit. Sie kniete neben Tannis und griff verzweifelt auf das MediFeld ihrer Freundin zu, während die Vitalfunktionen schwächer und schwächer wurden.
»DeVries! Sergeant DeVries!«, rief irgendjemand über die Kommandofrequenz der Kompanie.
»Sanitäter!«, schrie sie zurück. »Ich brauche einen Sanitäter! Jetzt sofort!«
»Hier drüben«, hörte sie, und dann waren rings um sie auch schon Marines in Kampfpanzerung, unglaublich gepflegt und sauber in all dem Chaos und der Zerstörung, dem Schmutz, dem Blut und den Leichen.
»Sanitäter!«, schrie sie erneut, als Tannis' Herz plötzlich aussetzte. Mit beiden Händen hämmerte Alicia auf das MediFeld ein, doch dann griffen andere Hände nach ihr - Hände in Dynamik-Panzerungen, deren Kraft ihrer eigenen entsprach, und sie rissen Alicia auf die Beine und zerrten sie von Tannis fort.
Sie wehrte sich nach Kräften, doch es waren einfach zu viele. Es bedurfte vierer Marines, um sie überhaupt festhalten zu können, doch gemeinsam gelang es ihnen doch, und so zerrten sie sie fort.
»Alley!«, rief eine bislang ungewohnte Stimme, als ein weiterer Marine in Kampfpanzerung sich neben Tannis kniete. »Alley!«
Irgendetwas war mit dieser Stimme. Irgendwie kam sie Alicia bekannt vor, und dann riss sie die Augen auf.
»Lieutenant?« Sie hörte den Unglauben in ihrer eigenen Stimme. »Lieutenant Kuramochi?«
»Ich bin's wirklich, Alley«, erwiderte Captain Kuramochi. »Die Sanitäter sind da. Hörst du mich? Die Sanitäter sind da!« Zwei weitere gepanzerte Hände griffen nach ihr, legten sich ihr auf die Schultern, hielten sie fest, während Kuramochi Chiyeko sich zu ihrer alten Kameradin hinüberbeugte. Ihre Visoren berührten einander, und Kuramochi sprach langsam und überdeutlich und blickte Alicia dabei fest in die Augen. »Die Sanitäter sind hier, Sergeant. Sie müssen zulassen, dass man ihr hilft. Hast du mich verstanden, Alley?«
»Ja«, flüsterte Alicia und sackte schließlich in ihrer Panzerung regelrecht zusammen. »Ja.«
»Dann sollten wir zusehen, dass wir euch beide hier rausschaffen«, sagte Kuramochi leise, während ihr Tränen über die Wangen strömten. »Wir bringen euch jetzt nach Hause.«
Kapitel 28
Lieutenant Alicia DeVries trat durch den höhleneingangsartigen Torbogen in der Innenwand des Sligo-Palastes. Es war Oktober, und der Herbst hatte schon reichlich seinen Pinsel geschwungen. Vor ihr lag der prachtvolle ›Hof der Helden‹ mit seinen Bäumen und Gärten in herrlichen Herbstfarben, mit seinen Springbrunnen und Teichen, die im Schein der Sonne glitzerten. Alles war darauf angelegt, den Blick unweigerlich zum Ehrenmal zu lenken, das genau in der Mitte der Parkanlage emporragte. Der quadratische Hof, sauber durch Blumenbeete abgesetzt, ließ den einhundertfünfzig Meter hohen Marmorobelisken noch gewaltiger erscheinen; er war groß genug, dass ein ganzes Bataillon dort antreten konnte. Der Boden des Hofes war mit sonderbar marmorierten Steinen gepflastert, nicht mit der sonst üblichen Betokeramik.
Diese eigenwillige Textur und Färbung hatten einen Grund. Jeder Stein stammte von einem anderen besiedelten Planeten oder Mond des Terranischen Imperiums.
In der Uniform eines Kader-Lieutenants fühlte Alicia sich noch immer ein wenig unwohl, auch wenn sie ihr rechtmäßig zustand - obschon sie noch das zugehörige Schulungsprogramm für Offiziersanwärter würde absolvieren müssen. Nun marschierte sie gleichmäßigen, gemessenen Schrittes den geraden Pfad hinunter, der vom Torbogen zum Ehrenmal selbst führte. Entlang dieses Pfades waren zahllose schlichte Plaketten aus Panzerstahl aufgestellt; darauf waren Name, Truppengattung und Dienstnummer jedes einzelnen Soldaten eingraviert, der jemals im Dienste des Terranischen Imperiums gefallen war.
Es schien ewig zu dauern, das Ehrenmal zu erreichen, und die ganze Zeit über blickte Alicia schnurgeradeaus zu den vier Personen, die völlig alleine im Schatten des Obelisken standen. Natürlich waren noch andere anwesend; sie saßen auf der Tribüne, die entlang der Südseite des Ehrenmals aufgestellt war, doch es waren nicht allzu viele. Zumindest waren nicht allzu viele körperlich anwesend.
Alicia erreichte die Kante der Steinfläche; plötzlich hallten ihre Schritte klar und
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