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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Peggy.
    »Roter Nektar«, flüsterte Nell. »Stevies Kolibri-Buch, habe ich Recht?«
    »Richtig. Das ist der erste Satz der Korrekturfahnen. Sie gehören dir.«
    Nell sah bunte Zeichnungen, von einem Kolibripärchen, draußen in Hubbard’s Point, mit dem sichelförmigen Strand, der blauen kleinen Bucht und dem schwimmenden Floß im Hintergrund … auf einer anderen Seite saugte ein weiteres Kolibripaar Nektar aus den roten Blüten, die sich an den morschen Mauern von Tante Aidas Schloss hinaufrankten.
    Atemlos blätterte sie die Seiten um, sah die Vögel hoch über der Erde dahinfliegen, Ozeane überquerend. Und dann kehrten sie nach Black Hall zurück … Stevie hatte die Kolibris im Flug gezeichnet, direkt über zwei Mädchen, die auf einem blauen Tandem saßen – die eine mit braunen, die andere mit roten Haaren.
    »Das sind Peggy und ich!«, rief Nell, und Peggy schnappte nach Luft.
    Da waren auch Zeichnungen vom Schloss, von dem Vogelpaar, das von seinem Flug zurückkehrte, um zuzuschauen, wie Tante Aida ein weiteres Gemälde mit Strand und Meer malte … und von Kletterpflanzen, die das graue Gestein überwucherten, mit leuchtend roten, trompetenförmigen Blüten … und von Nells Vater, der mit ihr hoch droben auf dem Turm stand, mit seinem Teleskopmeter aus Messing.
    »Von uns allen gibt es Zeichnungen!«, sagte Nell. »Außer von dir … wo bist du, Stevie?«
    »Oh, ich wache über euch, male, was ich sehe.«
    »Schau mal, Nell.« Peggy hob eine Seite ohne Bilder auf, die auf den Boden geflattert war. »Da steht eine Widmung.«
    Nell las laut vor: »Für Nell, ein Mädchen mit dem Herzen eines Kolibris.«
    Sie drückte das Buch an ihre Brust, unfähig, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. Das Herz eines Kolibris … schöne, starke, mutige Vögel, die so hoch und so weit flogen … Sie wollte sich bedanken, wollte Stevie fragen, warum das Buch ausgerechnet ihr gewidmet war. Sie hatte Millionen Fragen, aber sie gerieten alle durcheinander. Plötzlich hörte Tilly ein Geräusch, das sie in Alarmbereitschaft versetzte, sie sprang vom Sessel und suchte unter dem Sofa Deckung.
    Es klopfte an der Tür. Genau in dem Moment blickte Nell auf Stevies Uhr und sah, dass es schon nach zwei war. Stevie begleitete sie in die Küche hinaus, eine Hand auf ihrer Schulter.
    Nells Vater stand auf der Schwelle.
    »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, fragte Nell.
    »Du wolltest dich doch verabschieden.«
    »Möchtest du hereinkommen?«, fragte Stevie durch die Fliegengittertür. Ihr Blick erinnerte Nell an den Wind, der draußen wehte – warm, salzig, aufgewühlt. Aber ihr Vater schüttelte nur den Kopf.
    »Wir müssen los.«
    »Er hasst Abschiede«, erklärte Nell.
    »Das habe ich schon gemerkt«, sagte Stevie sanft.
    Die Umarmungen, die nun folgten, würde Nell niemals vergessen. Sie hielt und wiegte Peggy, als würde sie mit ihr tanzen. Peggy plapperte drauflos, dass sie jeden Tag schreiben würde, und Nell versprach das Gleiche. Dann kam Stevie an die Reihe. Nell streckte die Arme aus, und Stevie beugte sich zu ihr herab. Sie hielten sich umfangen, eine Ewigkeit, wie es schien, und Nell wünschte, es würde niemals aufhören. Sie hatte einen Kloß im Hals und wusste, dass er für immer bleiben würde. Ihre Wangen waren nass vor Tränen – genau wie Stevies.
    »Danke für das Buch«, sagte Nell.
    »Ich muss mich bedanken. Für alles. Für die Inspiration.«
    »Ich habe dich inspiriert?«
    »Mehr als du denkst.«
    »Wenn du mit Tante Maddie sprichst, erzähl ihr von dem Buch, ja? Ich möchte, dass sie es weiß«, bat Nell.
    »Mach ich. Das verspreche ich dir …«
    »Grüß Tante Aida von mir.«
    »Natürlich.«
    »Ich will nicht weg.« Nell klammerte sich an Stevies Hand. Sie dachte, wenn sie sich an ihr festhielt, würde Stevie verhindern, dass sie fortmussten … dass ihr Vater und sie abreisten …
    Stevie ging in die Hocke, bis sie sich auf Augenhöhe mit Nell befand. Ihre dunklen Augen waren veilchenblau, ruhig, tiefgründig und erfüllt mit einer solchen Herzlichkeit und Liebe, dass Nell bei dem Gedanken, sie verlassen zu müssen, vom Kopf bis zu den Zehen erschauerte.
    »Nell«, sagte Stevie. »Du … du musst gehen.«
    »Nein«, flüsterte Nell. Konnte Stevie nicht wenigstens so tun, als würde sie darum kämpfen, sie dazubehalten, ihrem Vater zeigen, wie sehr auch sie sich wünschte, sie würden nicht abreisen?
    »Du musst, wegen des Auftrags«, flüsterte Stevie.
    »Weswegen?«
    »Du

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