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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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sie – zwei Menschen, die sich über ihren Kopf hinweg küssten, stumm und schnell. Und dann hörte sie ihren Vater abermals sagen: »Komm jetzt, Nell.«
    Und dann brachte niemand mehr einen Ton heraus, nicht einmal um ein letztes Mal Lebewohl zu sagen.
    Und dann flogen Nell und ihr Vater nach Schottland.

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    Dritter Teil
    23. Kapitel
    S tevie versuchte zu malen. Sie versuchte, im Garten zu arbeiten. Nichts schien ihr von der Hand zu gehen. Es war Mitte August, ihre bevorzugte Jahreszeit, doch sie nahm es kaum wahr. Sie stand nicht mehr vor dem Morgengrauen auf. Sie blieb im Bett, so lange es ging, zog sich die Decke über den Kopf, um das Licht auszusperren und weiterzuschlafen – damit die Tage schneller vorübergingen, ihr nicht endlos vorkamen. Seltsamerweise fühlte sie sich trotzdem zutiefst erschöpft: Sie schlief niemals tief und fest, war aber auch nicht richtig wach.
    »Du hast eine ausgewachsene Depression, mein Kind«, sagte Tante Aida eines Tages, als Stevie bei ihr anrief, um sich zu entschuldigen, weil sie einen Termin beim Anwalt verpasst hatte, bei dem es um die Gründung eines Stiftungsausschusses ging.
    »Meinst du? Ich habe noch nie unter Depressionen gelitten. Das passt gar nicht zu mir!«
    »Mag sein. Aber was du beschreibst, sind die klassischen Symptome. Genauso antriebslos habe ich mich nach Vans Tod gefühlt.«
    »Das wird schon wieder«, meinte Stevie.
    »Kind, du bist Künstlerin, und obendrein Irin. Damit ist automatisch ein gewisses Maß an Weltschmerz verbunden, aber sobald auch noch die Liebe ins Spiel kommt … oje!«
    »Liebe?«
    »Wir müssen uns doch nichts vormachen, oder? Bei allem was wir gemeinsam durchgemacht haben. Ich spreche von Jack und Nell. Du trauerst ihnen nach.«
    »Ich denke an mein bisheriges Leben, an all die Fehler, die ich gemacht habe.« Stevies Augen füllten sich mit Tränen. »Jetzt bekomme ich die Quittung. Henry hat mich immer Lulu genannt und gemeint, ich sei eine Sirene, die mit ihrem betörenden Gesang Männer anlockt, so dass ihr Boot auf den Klippen zerschellt, wobei sie selbst immer wieder Schiffbruch erleidet. Tante Aida, ich habe mir wirklich gewünscht, dieses Boot würde die Fahrt durch die klippenreichen Gewässer heil überstehen«, sagte sie mit erstickter Stimme, ein Schluchzen unterdrückend.
    »Ich weiß, Stevie.«
    Stevie schloss die Augen. Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser der Bucht, erfüllte den Strand mit strahlend weißem, gleißendem Licht. Sie konnte nicht hinsehen.
    »Du leidest unter dem, was der Heilige Johannes vom Kreuz als ›Finsternis der Seele‹ bezeichnen würde«, meinte Tante Aida. »Steh es durch, Kind. Versuche, deine Gefühle anzunehmen, und mach dir bewusst, dass du etwas Einmaliges erleben durftest. Vertraue darauf, dass es ein Morgen gibt.«
    Stevie schwankte, ergriffen von einer Welle der Verzweiflung. Finsternis … an so einem herrlichen Sommertag. Sie liebte ihre Tante und vertraute ihrem Urteil zu sehr, um ihren Ratschlag in Frage zu stellen. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Gefühle sich jemals ändern würden. Die Farben des Sommers wirkten gedämpft, grau in grau, wie damals, als sie nach dem Tod ihrer Mutter farbenblind geworden war. Endlich, nach vielen Irrwegen, hatte sie die große Liebe ihres Lebens gefunden, hatte das Glück an ihre Tür geklopft … und nun war es für immer entschwunden.
    Tante Aida bedachte sie mit einem gälischen Segen, dann legte Stevie den Hörer auf und kroch ins Bett zurück. Tilly lag neben ihr, an ihr rechtes Bein geschmiegt, alle viere von sich gestreckt. Stevie tätschelte sie sanft. Die Katze war schon so lange bei ihr – sie hatte einiges durchgemacht. Stevie dachte über die Worte ihrer Tante nach … die Gefühle annehmen. Sie blickte zu ihrer Staffelei hinüber, auf der anderen Seite des Raumes – und das leere Papier. Sie wusste, dass die Arbeit sie ablenken würde, aber sie konnte sich nicht dazu aufraffen. Ihr Herz war einfach zu schwer.
    Sie hatte inzwischen sechs Ansichtskarten von Nell erhalten – eine von Inverness Castle, auf der es hieß »Das Schloss ist ganz hübsch, aber nicht halb so wundervoll wie Tante Aidas!« – und eine von Loch Ness. Der Rest stammte von den Orkney Inseln, wo ihr Vater sie auf eine Geschäftsreise mitgenommen hatte, und Nell lieferte gewissenhaft ihren Bericht über Sand, Seetang und Muscheln ab.
    Letzte Woche hatte sie ein Lebenszeichen von Jack erhalten.
    Wir sind dabei, uns einzuleben,

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