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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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wenn sie das wüsste, keine Frage. Und deshalb möchte ich Maddie und dich zum Eis einladen.«
    »Du musstest nie in deinem Leben hungern. Du trägst Goldschmuck am Strand.«
    »Stevie, du brauchst jemanden, der dir sagt, dass es völlig in Ordnung ist, glücklich zu sein. Wir lieben dich, Maddie und ich. Du willst jeden Menschen retten, jeden Vogel, der zugrunde zu gehen droht. Aber keine Bange, deine Freundinnen sind da, um dich zu retten – klar? Und jetzt kommt, lasst uns endlich zum Strand zurückfahren.«
    Das Verdeck war unten, die Sonne schien; Maddie freute sich unbändig, den Besuch bei ihrer Tante hinter sich gebracht zu haben, und war erpicht darauf zu hören, was sich in ihrer Abwesenheit am Strand zugetragen hatte. Sie hielten am Paradise, um Eis zu kaufen, und als sie die Kirschen ihrer Fruchtbecher im Sand vergruben, hatten sie der obdachlosen Frau gedacht. Stevie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Nahrung verschwendeten. Ihr Eis schmeckte wie Sägemehl. Als Emma sah, dass sie es auf den Tisch stellte, beugte sie sich vor und fütterte Stevie mit ihrem eigenen Löffel.
    »So, kleiner Vogel.« Sie blickte in Stevies Augen und vergewisserte sich, dass sie einen dicken Klacks Schlagsahne erwischte, bevor sie ihr den Plastiklöffel in den Mund schob. »Genieß den Sommertag.«
    »Aber …«
    »Genieß den Sommertag«, hatte Emma wiederholt, mit einem Hauch von Strenge im Blick, der Stevie sagte, dass es sich um eine Lektion handelte, die es zu lernen galt. Warum musste das Glück so schwer erkämpft sein? Hatten es Mädchen, deren Mütter noch lebten, in dieser Beziehung leichter? Dennoch, sie konnte das Bild von Emma nicht verdrängen, die den Zehn-Dollar-Schein aus dem Einkaufswagen genommen hatte …
    Diese Erinnerungen gingen Stevie durch den Kopf, als sie nun das Krähenjunge fütterte.
    Ihre Gedanken wandten sich Nell und Jack zu. Die Augen des Mannes hatten verletzt ausgesehen – als hätte er Prügel bezogen. Sie streichelte das aufgeplusterte schwarze Rückengefieder des Vogels. Wenn sie ihm das Leben retten konnte, ihm helfen konnte zu leben, wäre das eine Huldigung an Emma und ihre Tochter, die sie mutterlos zurückgelassen hatte.
    Doch vielleicht gab es auch noch eine andere, bessere Möglichkeit.

6. Kapitel
    A ls Nell und ihr Vater von der Strandpromenade, wo sie sich um zwölf Uhr getroffen hatten, nach Hause kamen, fanden sie eine Nachricht vor, die in der Fliegengittertür klemmte. Nell entdeckte eine Zeichnung, die zwei Vögel darstellte. »Von Stevie!«, rief sie.
    Ihr Vater las die Nachricht: »Ihr seid herzlich zum Essen eingeladen, bei Tilly und mir, heute Abend um sechs.« Darunter befanden sich das Kürzel » SM « und eine Katze, die auf den Buchstaben saß.
    »Gehen wir hin, gehen wir hin?«, rief Nell aufgeregt.
    »Ich habe eine Menge Arbeit.«
    »Arbeit, Arbeit, Arbeit!« Die Hände in die Hüften gestemmt, spürte sie, wie eine Welle der Enttäuschung Besitz von ihr ergriff. »Und das soll Urlaub sein? Ich weiß schon – Francesca wird garantiert irgendwelche Papiere vorbeibringen, und du wirst mit ihr zum Essen gehen.«
    »Nein. Und abgesehen davon habe ich sie gebeten, mir die Unterlagen zu faxen.« Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, was bedeutete, dass Nell ihren Willen bekommen sollte.
    »Also?« Nell grinste. »Dann gibt es wirklich keine Entschuldigung. Wir gehen zu Stevie!«

    Gesagt, getan. Um Punkt sechs erklommen sie den Hügel zu Stevies Haus. Nell hatte ihr bestes Strandkleid angezogen, gelb mit weißen gestickten Gänseblümchen am Saum. Ihr Vater trug Chinos aus kakifarbener Baumwolle und ein blaues Hemd; Nell hatte beobachtet, wie er seine langen Haare hinter die Ohren strich, wie immer, wenn er einen anständigen Eindruck machen wollte und merkte, dass er einen Haarschnitt nötig gehabt hätte. Nell hielt einen Strauß Wildblumen in der Hand, den sie am Ende des Strandes gepflückt hatte. Ihr Vater brachte eine Flasche Wein als Gastgeschenk mit.
    Sie klopften an die Fliegengittertür. Tilly saß unmittelbar dahinter und begrüßte sie mit einem Unheil verkündenden, zahnlosen Zischen. Nell wich zurück, dann kicherte sie.
    »Das muss Tilly sein«, sagte ihr Vater.
    »Richtig«, erwiderte Stevie und öffnete die Tür. Sie war umwerfend mit ihren dunklen glänzenden Haaren, die auf beiden Wangen in einer Spitze ausliefen, wie Vogelschwingen. Ihre Augen waren geschminkt, und sie trug eine weiße Hemdbluse über ihren

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