Wehe wenn der Wind weht
Sehenswürdigkeit, und den ganzen Sommer über war Joyce von stillem Stolz erfüllt, wenn sie die vielen Touristen sah, die stehenblieben, um das Haus anzuschauen und das am Tor angebrachte Schild lasen, auf dem seine Geschichte stand. Und schließlich gingen sie auf die andere Straßenseite, um es zu fotografieren. Nur Jane Berkeys Osterei von viktorianischem Haus, das in Rosa, Weiß, Lavendel und Purpur gehalten war, erweckte mehr Aufmerksamkeit. Joyce empfand eine gewisse, nicht direkt boshafte Befriedigung angesichts der Tatsache, daß Mrs. Berkey bei der Renovierung Handwerker für die Arbeit gehabt hatte, sie und Matt jedoch das ganz allein vollbracht hatten.
Dennoch wäre es schön gewesen, einen neuen Herd zu haben statt dieses alten Holzofens, der vom Müll gerettet worden war. Aber da es in Amberton eine Sache des Ehrgeizes war, seine Restaurierung so akkurat wie möglich durchzuführen, ausgenommen solcher Details wie Nebengebäude, hatte Joyce sich damit zufriedengegeben.
Während sie nach der Fleischpastete sah, wanderten ihre Gedanken zu ihrem Mann. Matt war den ganzen Nachmittag fort gewesen.
Sie wußte, daß er durch diesen Unfall furchtbar aufgeregt war - nicht nur, weil er von Elliot Lyons sehr viel gehalten hatte, sondern weil Matt einer der Stadtbewohner war, die darauf hofften, daß das Bergwerk wie der eröffnet werden könnte und so Wohlstand für Amberton bringen würde. Für Joyce hatte das Bergwerk stets nur Leid gebracht. Ihr Großvater war bei dem Unfall 1910 gestorben und ihre Großmutter hatte sich nie davon erholt. In Joyces Augen war das Bergwerk nie so gut für Amberton gewesen, wie es ihr Gatte sah. Jahrelang war Amberton von dem Bergwerk abhängig gewesen, und nachdem es stillgelegt worden war, war die Stadt wie gelähmt und in Armut versunken, die ein halbes Jahrhundert gedauert hatte. Erst jetzt begann man in Amberton wieder Hoffnung zu schöpfen. Und das hatte nichts mit dem Bergwerk zu tun.
Es hatte mit der Restaurierung zu tun. Nach Joyces Ansicht war diese Restaurierung aufbauend - sie schadete niemandem und sie verunreinigte die Umgebung nicht. Innerlich hatte sie sich vor der neuen Inbetriebnahme des Bergwerks gefürchtet und vor der schwarzen Wolke, die über dem Tal hängen würde - einer Wolke, die sich zum Teil aus Kohlenstaub und zum Teil aus der Furcht zusammensetzte, daß eines Tages, irgendwann, wieder eine Katastrophe stattfinden würde. Obwohl Joyce Elliot Lyons aufrichtig bedauerte, fühlte sie sich andererseits doch erleichtert. Jetzt würden die Arbeiten im Bergwerk unterbrochen werden. Und zumindest würde niemand sterben.
Die Hintertür öffnete sich und Matt kam herein. Sein Gesicht glänzte von Schweiß und schwarzem Staub und seine Miene war ernst.
»Schön, das war's«, sagte er. Er nahm eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, dessen antike Frontseite ein Überbleibsel der einstmals dort plazierten Eiskiste war. »Ein verdammter Mist, das ist es.« Er öffnete die Flasche und nahm einen tiefen Schluck, als Jeff, zehn Jahre alt und annähernd ebensogut aussehend wie sein Vater, in die Küche kam.
»Was ist ein verdammter Mist?« fragte der kleine Junge.
»Was heute passiert ist«, sagte Matt. »Und sag nicht ›verdammt‹.«
»Du hast es gesagt«, ärgerte ihn Jeff.
»Mein Vater pflegte mir zu sagen, daß ich zu tun hätte, was er sagte, und nicht, was er tat. Ich sage dir dasselbe. Kapiert?« Doch trotz seines ernsten Gesichtsausdrucks war ein Funkeln in seinen Augen, aus dem Jeff schloß, daß ihm kein Ärger bevorstand. Er grinste seinen Vater an.
»Ja, zum Teufel«, sagte er, wobei er Matt perfekt imitierte.
»Jeff!« Joyce tat ihr Bestes, um ihre Stimme ernst klingen zu lassen. Aber das klappte nicht. Sie deutete auf die Schublade, in der sie das Besteck aufbewahrte. »Deck den Tisch, während dein Vater sein Bier trinkt, ja?«
»Ach ...«, beschwerte sich Jeff, aber nicht so laut, daß sein Vater Anlaß zum Schelten gehabt hätte. Er nahm Bestecke heraus, und begann, den Tisch zu decken.
»Ich nehme an, man wird das Bergwerk jetzt aufgeben«, sagte Joyce vorsichtig, während sie die Kartoffeln stampfte.
Matt kippte sich etwas Bier in den Mund und schluckte es langsam. »Ich weiß nicht. Ich weiß einfach nicht, was Elliot zugestoßen ist.«
»Vielleicht haben die Wasserkinder ihn geholt«, meinte Jeff.
Joyce starrte ihren Sohn an. »Wasserkinder?« wiederholte sie. »Wovon, zum Kuckuck, redest du da?«
»Ach, weißt du«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher