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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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und dann werden sie bestraft.«
    Esperanza hatte nie geweint, nicht einmal, als ihre Mutter starb. Statt dessen hatte sie getan, was die meisten Mädchen von Shacktown in ihrem Alter taten. Obwohl sie erst vierzehn war, heiratete sie und zog aus dem Haus in die Hütte beim Bergwerk, in dem ihr Mann Wärter war. Einige Jahre später, kurz nachdem sie schwanger geworden war, ging Carlos davon, und sie sah ihn niemals wieder. Nicht einmal da hatte Esperanza geweint.
    Erst als Juan geboren wurde und die alte Indianerin ihr gesagt hatte, sie solle ihn zu der Höhle bringen, damit er dort mit den anderen Kindern leben könne, hatte Esperanza Tränen vergossen. Sie erinnerte sich an diesen Tag, als sie jetzt so in der Kinderstube saß.
    Die Frauen waren gekommen und hatten Juan angesehen, und hatten gesagt, daß sie ihn nicht behalten dürfe. Eine Weile hatte Esperanza ihnen geglaubt. Doch als sie ihr Baby ansah und sie ihre Tränen fließen ließ, hatte sie entschieden, daß das falsch sei. Sie wußte, daß die Höhle nur für die toten Babies da war - diese winzigen, die nicht einmal atmeten, wenn sie geboren wurden. Aber sie kamen auf die Welt, als seien sie kleine alte Männer und Frauen, und ihre Gesichter waren verwelkt und runzelig, so daß sie aussahen, als hätten sie ihr Leben schon gelebt, bevor sie geboren wurden.
    Ihre kleinen Körper wurden in die Höhle gebracht, und dann wurden Gebete über sie gesprochen, und anschließend wurden sie dagelassen, damit sie auf den Tag zu warteten, an dem sie wiedergeboren wurden. Esperanza wußte, daß das wahr war. Manchmal, wenn der Wind wehte, konnte sie sie weinen hören, denn ihre Hütte stand neben dem verborgenen Eingang zur Höhle. Ihre Stimmen waren verlassen und verängstigt, und sie wehten den Berg hinunter, weinten nach den Müttern, die eines Tages zu ihnen kommen würden.
    Nachdem Esperanza diese Geschichten gehört hatte, konnte sie ihren Sohn nicht fortschicken, damit er dort in der Höhle lebte. So hatte sie einen ganzen Tag und eine ganze Nacht verbracht und ihre Tränen vergossen, und hatte ihre Entscheidung getroffen. Juan war nicht tot geboren worden, also mußte er nicht in die Höhle geschickt werden. Statt dessen mußte sie ihn behalten.
    Und so waren die Jahre vergangen, und Esperanza hatte schon begonnen zu glauben, daß nun alles gut würde.
    Aber jetzt regten sich die verlorenen Kinder, und ein Mann war gestorben, und Esperanza fürchtete sich, denn sie wußte, daß eines der Kinder in der Höhle das Kind von Diana Amber war.
    Sie wußte es, weil sie eines Nachts wach gewesen war, kurz nachdem Juan geboren worden war, und sie hatte ein seltsames Geräusch draußen vor ihrer Hütte gehört.
    Sie hatte ein Baby weinen gehört, und sie war zum Fenster gegangen und hatte hinausgeschaut.
    Und dort hatte sie eine Frau gesehen, die sich durch die Nacht bewegte und den Hügel hochging und ein Baby in ihren Armen trug.
    Das Baby hatte geweint und Esperanza hatte sich an Diana Ambers Worte erinnert, die sie vor langer Zeit gesagt hatte.
    »Nur böse Kinder weinen, und sie werden bestraft!«
    Sie hatte gewußt, daß Diana Amber krank gewesen war, und als sie so zuschaute, begriff sie plötzlich, welche Krankheit das gewesen war.
    Und in all den Jahren, die seitdem vergangen waren und die sie im Hause der Ambers gearbeitet hatte, hatte nie jemand von Diana Ambers Kind gesprochen.
    Es war, als habe es das Baby nie gegeben, und es stand Esperanza nicht an, Fragen zu stellen.
    Doch irgendwie, das wußte sie, hing das alles miteinander zusammen. Die Alpträume, von denen Diana ihr erzählt hatte, von denen Esperanza wußte, daß sie überhaupt keine Träume gewesen waren, und das Baby, das durch Dianas »Krankheit« gekommen und in die Höhle gebracht worden war.
    Und jetzt war ein Kind gekommen, um in der Kinderstube zu leben, in dem einmal ein verlorenes Kind gewohnt hatte.
    Während Esperanza sich in dem schäbigen Zimmer umsah, erschauerte sie.
    Irgendwie waren Los Ninos gestört worden, und sie war sicher, daß Menschen sterben mußten, wenn sie erwachten. Zum ersten Mal seit Juans Geburt begann Esperanza Rodriguez zu weinen.
    Diana Amber schaute nervös aus dem Wohnzimmerfenster.
    Sie war vor zwei Stunden nach Hause gekommen und hatte Esperanza weinend in der Kinderstube gefunden, konnte aber nicht herausbekommen, was los war. Schließlich hatte sie die Frau heimgeschickt und dann die restlichen Vormittagsstunden damit verbracht, Christies Habseligkeiten

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