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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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lassen, weder von den anonymen SMS noch von den Geisterstimmen. Sie schaltete die Kaffeemaschine und das Radio ein, deckte den Tisch und toastete Brot. Sie hatte am Vorabend nicht feststellen können, welche Tochterfirma von Reed Industries auf dänischem Boden tätig war. Das Stammhaus in Atlanta besaß Filialen in Finnland und Schweden, aber nicht hier. Sie schaute auf ihr Mobiltelefon. Nichts. Keine Nachricht. Während sie sich in der vergangenen Nacht ohne zündende Ideen bei ihren Recherchen im Kreis gedreht hatte, hatte sie dem mysteriösen RR 21 eine SMS geschickt.
    Wer bist Du?
    Bis jetzt war noch keine Antwort gekommen. RR 21 – in letzter Zeit eher gesprächig – blieb stumm.
    Sachas Rufen riss sie aus ihren Überlegungen. »Mama!«
    »Morgen, mein Schatz, hast du gut geschlafen?«, fragte sie und zog die Vorhänge im Zimmer des Kleinen auf.
    Sacha rieb sich die Augen. Er hatte dichtes braunes Haar wie Niels und große blaue Augen wie Rachel. »Hab ich heute Schule?«
    »Ja.«
    »Ich mag nicht hingehen …«
    »Du musst hingehen, mein Häschen, damit du groß wirst und viel lernst.«
    »Ich will lieber zu Oma!«
    »Aber Oma muss sich ausruhen.«
    Sie setzte sich auf die Bettkante. Sacha lächelte, ganz der kleine Charmeur. »Du bist hübsch so, Mama, wie eine Prinzessin. Ich möchte, dass du dich immer so anziehst.«
    »Danke, mein Häschen.«
    Sie schob die Zudecke etwas zurück, um seine Beine freizulegen. »Und was ist mit deinen Beinen? Bewegst du sie noch mal für Mama?«
    Sacha in seinem blauen Spiderman-Pyjama hob erst ein Bein, dann das andere. Rachel lächelte, war gerührt, fast erstaunt, dass dieses Wunder anhielt.
    »Das ist einfach sagenhaft …«
    »Wird mir der Doktor jetzt keine Spritze mehr geben?«
    Rachel runzelte die Stirn. »Wer hat dir eine Spritze gegeben? Welcher Doktor?«
    »Der Doktor …«
    »Doktor Hansen?«
    »Nein, der chinesische Doktor.«
    Rachel seufzte, diese Geschichte begann ihr auf die Nerven zu gehen. »Es gibt keinen chinesischen Doktor, Sacha. Du wirst künftig abends nicht mehr fernsehen, damit ist Schluss.«
    »Doch, er hat mir eine Spritze gegeben, und das tut weh!«
    »Das war nur ein Albtraum.«
    »Nein, der chinesische Doktor, der Doktor von Oma, hat mir eine Spritze gegeben.«
    Rachels Lächeln erstarb. »Welcher Doktor von Oma? Wohin hat er dir die Spritze gegeben?«
    Sache hob sein Pyjamaoberteil hoch und zeigte auf seinen unteren Rücken. Rachel beugte sich über die zarte Haut, die nach Baby roch. Sie sah die schmutzig rosa Narbe in Höhe der Lendenwirbel, die von der Operation nach seiner Geburt zurückgeblieben war, aber sonst nichts, was ihr ungewöhnlich erschienen wäre. Sie knipste die kleine Nachttischlampe an, um besser sehen zu können. Ihre Gesichtszüge spannten sich an. Über der leichten rosafarbenen Schwellung war gut sichtbar ein blauer Fleck vom Durchmesser einer Erbse, genau über der Wirbelsäule.
    ■ ■ ■
    Der Weg zur Schule war mühsam. Rachel fuhr einen grünen Polo mit einem Fahrradträger, auf dem ihr rotes Mountainbike befestigt war. Da die Elektroautos noch zu teuer waren, hatte sie sich für ein kleines sparsames Auto entschieden, dessen Nutzung sie auf ein Minimum beschränkte. Meist fuhr sie ihren kleinen Jungen bis zur Schule am Anfang des Ø restads Boulevard und ließ das Auto auf dem Parkplatz stehen, um von dort mit dem Fahrrad weiterzufahren.
    Während sie den Wagen in der Nähe des modernen Schulkomplexes abstellte, kam Carol, die Schulhelferin, zu ihnen herüber, die sich tagsüber um Sacha kümmerte. Blond, rundlich und jovial, mit ihrer blauen Bluse, die von einer Brosche in Form einer Sonnenblume geschmückt wurde, begrüßte die Dreißigjährige sie herzlich. Rachel lud ihr Fahrrad ab und holte den Rollstuhl aus dem Kofferraum. Sie lächelte nervös, denn sie war in Sorge, weil Christa nicht an ihr Handy ging und ihre beiden Nachrichten auf der Mailbox nicht beantwortet hatte. Während der Fahrt hatte sie ihrem Sohn mehrere Fragen über diesen »chinesischen Doktor« und den Bluterguss gestellt, aber Sacha hatte nur immer wiederholt, er wolle nicht mehr zu ihm gehen. Auf die Frage: »Wann war denn das?«, hatte der Junge geantwortet: »Gestern.« Sie war also nicht wirklich weitergekommen.
    Nachdem Rachel ihren Sohn fest umarmt hatte, sah sie ihm nach, während er sich mit Carol entfernte und bald von anderen Kindern umringt wurde, die um seinen Rollstuhl hüpften. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass

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