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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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hat, ohne mir davon zu erzählen?«
    »Wie das?«
    Rachel berichtete ihr kurz von Sachas Äußerungen und dem Bluterguss, den sie auf seinem Rücken entdeckt hatte.
    »Vergiss nicht, er ist erst vier Jahre alt«, antwortete die junge Dänin. »Er vermischt viele Dinge. Und weißt du, vielleicht lässt er dich auch ein wenig für deine Abwesenheit bezahlen.«
    »Das hat mich total fertiggemacht.«
    »Ich verstehe dich. Denn würde man einem meiner Hunde auch nur ein Haar krümmen, würde ich verrückt. Aber kannst du dir wirklich vorstellen, dass deine Schwiegermutter Sacha zu einem Heiler bringt und ihm Injektionen verpassen lässt, ohne dir auch nur ein Wort davon zu sagen? Das kann nicht dein Ernst sein. Sie würde nie etwas tun, was dem Kleinen schaden könnte. Nie.«
    »Aber sie hat so starke Schuldgefühle«, gab Rachel zu bedenken. »Manchmal frage ich mich, ob sie deswegen nicht bisweilen aus der Bahn gerät.«
    »Wegen der Kapseln, meinst du?«
    »Ja.«
    Joanna seufzte. »Da ist sicher was dran, aber mal ehrlich, Christa ist völlig normal. Hör auf, dir wegen nichts den Kopf zu zerbrechen.«
    Rachel atmete erleichtert auf. »Du hast recht. Das ist völlig idiotisch von mir.«
    Sie drückte ihre Freundin erneut an sich … »Genau das musste ich jetzt hören. Danke.«
    »Also, schalte mal schön ab, und sag Sachi, dass Tante Joanna ihm ein dickes Küsschen schickt.«
    »Ja, alles klar. Und du sagst dem Arzt, dass ich deine Augen etwas gelb finde …«
    Rachel schloss die Tür hinter sich, ihre Züge hatten sich entspannt. Wie konnte sie an Christa zweifeln, da diese sich für ihren Enkel mehr aufopferte als jede andere Großmutter? Rachel sagte sich, dass sie mit dem Begriff »Familie« wohl definitiv ein Problem hatte. Ihr fehlte jegliche Erfahrung, was hingebungsvolle Eltern betraf, und daher witterte sie überall Böses.
    Sie empfand heftige Schuldgefühle, ihre Schwiegermutter verdächtigt zu haben, die, anders als Niels, stets zu ihr gehalten hatte. Sie holte ihr Handy heraus und schrieb zwei SMS . Die erste an Christa:
    Tut mir leid, wenn ich dich beunruhigt habe, bin einfach
    sehr angespannt. Komm nachmittags zum Kaffee,
    wenn du magst, das wird uns guttun. Herzlichst, R.
    Anschließend schrieb sie, versöhnlich gestimmt, die zweite Kurzmitteilung:
    Wir könnten heute zusammen einen Kaffee trinken, wenn
    du willst. Rachel.
    Sie sendete die SMS an die Handynummer, die von Lommel am Vortag benutzt hatte.
    Das Display des Mobiltelefons auf dem Nachttisch blinkte. Eine langgliedrige Hand ergriff es, und zwei blaue, von anmutigen Fältchen umgebene Augen lasen die Mitteilung. Dann wanderte das Handy wieder an seinen ursprünglichen Platz. Bei zugezogenen Vorhängen auf ihrem Bett ausgestreckt, die Füße erhöht auf einem Keilkissen, hatte Christa momentan nicht vor, auf die verschiedenen SMS ihrer Schwiegertochter zu antworten. Sie starrte an die Zimmerdecke und atmete tief durch, um den Schwindel und die Atemnot zu besänftigen, die sie kurz zuvor ergriffen und zum Hinlegen gezwungen hatten. In den letzten Tagen häuften sich die Schwindelanfälle. Das war beunruhigend, denn seit Juli hatte sie eigentlich das Gefühl, dass es ihr besser ging.
    Christa versuchte, die finsteren Gedanken, die ihr im Kopf herumgingen, zu verscheuchen und wieder zu ihrer Gelassenheit zu finden. Meine Gesundheit wird sich bessern, denn ich habe alles Nötige getan. Für Sacha auch. Ich muss Vertrauen haben und mich in Gottes Hand begeben. Vorsichtig stand sie auf und ging mit kleinen Schritten ins Gästezimmer nebenan, das seit vier Jahren in ein Kinderzimmer verwandelt war. Die Decke des Bettchens, das vor dem einzigen Fenster stand, war mit Motiven aus dem Film Cars bezogen. Daneben hatte Christa ein Regal mit roten und blauen Kunststoffkisten gestellt, die sich nach und nach mit Spielzeugautos und Legosteinen gefüllt hatten. Das alte Bodenparkett verschwand unter einem großen Teppich, auf dem eine Formel- 1 -Rennstrecke aufgedruckt war. Ein lackierter Kleiderschrank schließlich, den sie beim Trödler gefunden hatte, nahm die wenigen Sachen auf, die Sacha bei ihr hatte. Daneben hatte sie einen kleinen runden Tisch gestellt, der noch von ihrer Mutter stammte.
    Das Zimmer war weder besonders harmonisch noch besonders hübsch mit den nicht zusammenpassenden Möbeln, doch es hatte mit der Zeit eine Atmosphäre angenommen, die Christa mit Hingabe pflegte. Sie zog leicht an der Bettdecke, um eine unsichtbare Falte zu glätten.

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