Wehrlos vor Verlangen
den verschiedensten Männern auf jedem erdenklichen gesellschaftlichem Anlass, die seit Monaten in der britischen Presse erscheinen?“
„Ich bin nur auf diese Partys gegangen, um für Reynolds Gems Reklame zu machen“, rechtfertigte sich Tahlia. „Mein Vater hat mich zu einer Werbekampagne überredet, er hoffte, auf diese Weise die Schmuckstücke der Firma zu präsentieren. Die Männer waren angeheuerte Begleiter, männliche Models von Agenturen, alles nur arrangiert, um ein Image für Reynolds zu kreieren.“ Thanos wirkte skeptisch, darum fuhr Tahlia fort: „Die Kleider, in denen ich fotografiert wurde, waren Leihgaben der verschiedenen Designer, die Juwelen stammten aus den Tresoren von Reynolds Gems. Meine Begleiter mussten attraktiv sein. Doch mit Romantik hatte es nicht das Geringste zu tun. Davon abgesehen …“ Sie verzog den Mund. „Diese männlichen Models sind viel zu sehr in sich selbst verliebt.“
„Also war dein Party-Girl-Image nur eine PR-Kampagne?“ Thanos lachte bitter. Ihn hatte sie auf jeden Fall überzeugt. Noch immer hatte er Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass er ihr, ohne sich dessen bewusst zu sein, die Unschuld geraubt hatte. „Und was war mit diesem anderen verheirateten Schauspieler, diesem Damian Casson? Soll ich etwa glauben, dass die Fotos von euch beiden, wie ihr gemeinsam das Hotel verlasst, auch nur ein PR-Gag sind?“
„Glaub doch, was du willst“, fauchte Tahlia. „Damian hat mich benutzt, um seine Frau eifersüchtig zu machen. Ich habe dir auch schon gesagt, dass mein Anwalt die Zeitungen verklagen wird, damit sie die Story von unserer angeblichen Affäre dementieren. Ich hasse es, so im Licht der Öffentlichkeit zu stehen“, erklärte sie, „aber ich würde alles tun, um meinem Vater zu helfen. Ich wünschte nur, die PR-Kampagne hätte mehr Erfolg gehabt.“
„Es hätte schon ein Wunder gebraucht, um Reynolds zu retten“, entgegnete Thanos unverblümt. „Dein Vater hat in den letzten Jahren eine katastrophale Entscheidung nach der anderen getroffen. Der Bankrott war praktisch unvermeidlich, er ist förmlich hineingeschlittert.“
„Es war nicht seine Schuld“, verteidigte Tahlia ihren Vater sofort. „Meine Mutter war schwer krank. Dad musste sich um sie kümmern und konnte sich kaum auf das Geschäft konzentrieren. Er hatte furchtbare Angst, sie zu verlieren. Wir beide hatten Angst …“ Noch jetzt schnürte es ihr die Kehle zu, wenn sie daran dachte.
Während der letzten beiden Jahre hatte sie jeden Tag mit dieser Angst gelebt. Erst jetzt, da die Gefahr gebannt war, erkannte sie, welchen Preis es ihr abverlangt hatte, ständig zu lächeln und die Eltern zu ermutigen, die Hoffnung nicht aufzugeben. Dabei war sie selbst innerlich von dieser Angst zerfressen worden. Tränen schossen ihr in die Augen, wütend blinzelte sie sie fort. An dem Tag, als die Diagnose festgestellt worden war, hatte sie geweint, danach hatte sie ihre Emotionen eisern unter Kontrolle gehalten. Jetzt kam es Tahlia vor, als wäre ein Damm gebrochen. Zwei Jahre zurückgehaltene Tränen, Angst um ihre Mutter, Sorgen, dass ihr Vater das Geschäft verlieren würde, und die Tatsache, dass sie ihre Jungfräulichkeit an einen Mann verloren hatte, der sie verachtete, raubten ihr das letzte bisschen Kraft und Haltung. Sie schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte erstickt auf.
Natürlich wollte sie vor Thanos nicht weinen, aber nachdem der Sturm einmal begonnen hatte, war er nicht mehr einzudämmen. Sie spürte eine Hand an ihrem Nacken. Die sanfte Berührung seiner Finger beruhigte sie langsam.
„Tut mir leid“, brachte sie schließlich hervor. Beschämt über ihren Ausbruch, hielt sie den Blick auf ihre Hände gerichtet. Sie konnte Thanos in dieser Verfassung einfach nicht ansehen. „Normalerweise bin ich nicht so wehleidig.“
Die Hand an ihrem Nacken streichelte sanft weiter. Als Tahlia aufschaute, saß Thanos direkt neben ihr. Er hatte einen schwarzen Bademantel angezogen und saß so nah bei ihr, dass sie die feinen Fältchen um seine Augen erkennen konnte.
„Was war mit deiner Mutter?“, fragte er leise.
„Sie hatte Brustkrebs, eine besonders aggressive Art. Die anfängliche Prognose sah schlimm aus.“ Tahlia atmete bebend durch. „Man operierte den Tumor sofort, danach folgte eine massive Chemotherapie, die Mum enorm schwächte.“ Sie schluckte und fragte sich, warum sie Thanos das alles überhaupt erzählte. Trotzdem sprudelten die Worte weiter aus ihr heraus.
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