Wehrlos vor Verlangen
empfunden hatte wie sie? Dass ihre Seelen sich vereint zu einem Ort aufgeschwungen hatten, der allein ihnen gehörte?
Es war nur Sex, ermahnte sie sich, einmaliger, erstaunlicher Sex. Das konnte sie behaupten, auch wenn sie zugegebenermaßen keinerlei Vergleichsmöglichkeiten hatte. Es wäre dumm, Gefühle ins Spiel kommen zu lassen. Dennoch … sie fühlte eine Verbindung zwischen ihnen, die weit über die körperliche Intimität, die sie gerade miteinander geteilt hatten, hinausging.
Irgendwann rollte Thanos sich auf seine Bettseite und starrte mit blinden Augen an die Decke. Die Macht der geteilten Leidenschaft mit Tahlia hatte ihn überrumpelt, mehr, als er zugeben wollte. Dieses Gefühl von Einheit hatte er nie zuvor erlebt, mit keiner anderen Frau. Dabei verachtete er Tahlia, und seine Verachtung für sie war nur gewachsen, als sie seinem Handel zugestimmt hatte. Doch anstatt ihr das zu sagen, war er ihrer Schönheit erlegen und hatte sie in sein Bett geholt. Die Lust hatte ihn zum Narren gemacht, und jetzt wollte der Selbsthass ihn schier ersticken. Er war nicht besser als sein Vater. Kosta Savakis war dem Zauber einer unmoralischen Frau verfallen. Für seine Geliebte hatte er seine Familie verlassen. Und jetzt hatte Thanos alle Kontrolle, Beherrschtheit und allen Anstand aufgegeben – für Sex mit einer Frau, die seiner Schwester das Herz gebrochen hatte.
Er hatte sie gekauft, erinnerte er sich grimmig. Ohne Tahlia auch nur einen Blick zu gönnen, schwang er die Beine aus dem Bett und ging ins Bad. Sie war nichts als eine Dirne, und er bezahlte ein Vermögen für sie. Es wäre mehr als enttäuschend, wenn der Sex nicht wenigstens gut gewesen wäre. Selbst die heißen Wasserstrahlen unter der Dusche halfen nicht, seine Verspannung zu lösen. Der Sex mit Tahlia war nicht nur gut, sondern der beste Sex seines Lebens gewesen. Allein bei dem Gedanken meldete sein Körper sich schon wieder auf eindeutige Weise.
Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, lag Tahlia auf der Seite zusammengerollt, eine Hand unter der Wange. Ihre goldenen Wimpern bildeten einen schattigen Halbbogen auf ihrer Haut. Erneut zog sich beim Anblick ihrer unschuldigen Aura sein Magen zusammen, vor allem, als er die einzelne Träne erkannte, die ihr über die Wange lief. Ihre offensichtliche Verletzlichkeit erschütterte ihn bis ins Innerste. In diesem Moment akzeptierte sein Verstand endlich, was seine Seele schon erkannt hatte, als er seinen Körper mit ihrem vereint hatte. Das Blut in seinen Ohren begann zu rauschen. Fieberhaft klammerte er sich an Vorwände und Rechtfertigungen, rief sich resolut die Zeitungsberichte über ihr wildes Liebesleben in Erinnerung. Doch als sie die Lider hob und er den Kummer in ihren Augen sah, da akzeptierte auch endlich sein Herz die Wahrheit.
„Du warst noch Jungfrau, nicht wahr?“, fragte er leise.
Sie antwortete nicht, doch das Blut schoss ihr tiefrot in die Wangen. Schuld und Scham und eine ganze Flut anderer Gefühle, die er nicht bestimmen konnte, stürzten auf Thanos ein, darunter auch Wut auf seine eigene unglaubliche Dummheit.
„Warum, zum Teufel, hast du es mir nicht gesagt?“
6. KAPITEL
Thanos’ wütendes Gesicht brachte Tahlia in Rage. Abrupt setzte sie sich auf, zog das Laken fest um ihren nackten Oberkörper und funkelte ihn böse an. „Wozu?“, schleuderte sie ihm bitter entgegen. „Du warst doch so überzeugt, dass ich ein unmoralisches Luder bin, das nicht nur den Mann deiner Schwester, sondern außerdem noch die Hälfte der männlichen Einwohner Londons verführt hat. Hättest du mir etwa geglaubt, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich völlig unerfahren bin?“
Ihr angriffslustiger, trotziger Ton und die unwirsche Geste, mit der sie sich die Tränen von der Wange wischte, verstärkten ihre Unschuld nur noch. Eine Unschuld, die er ihr mit der Finesse eines Bauernflegels genommen hatte. Schuldgefühle peinigten ihn, wenn er daran dachte, welche Hast und Ungeduld er gezeigt hatte.
„Wahrscheinlich nicht“, gab er zu. „Aber, Theos mou …“ Erschüttert fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. „Melina hat dich doch mit James im Bett gefunden.“
„Ich habe dir gesagt, dass ich nicht mit ihm geschlafen habe.“
Aber er hatte ihr nicht geglaubt. Wie Melina war auch er davon ausgegangen, dass Tahlia und James eine Affäre hatten. Und in den langen Stunden an Melinas Krankenbett hatte er auf Rache gesonnen. „Und wie erklären sich die Berichte und die Fotos von dir mit
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