Weibliche Lust ohne Tabus
hat das nichts zu tun
Ob wir wollen oder nicht: Wir werden von der Schöpfung festgelegt, lange bevor wir eigene Entscheidungen treffen können. Das Drama beginnt schon, wenn wir – unschuldig und nichts Böses ahnend – als Embryo im Mutterleib umherstrampeln: In jeder unserer Zellen hat sich da schon entschieden, ob wir in Zukunft dafür gescholten werden, dass wir nicht zuhören oder dafür, dass wir nicht einparken können. Wir werden unfreiwillig dazu bestimmt, entweder aggressive Machos oder intrigante Zicken zu werden. Es wird festgelegt, ob wir eher Lust auf ein Rumpsteak oder auf Petit Fours haben. Und bevor wir geboren werden, steht schon fest, wer zeugt und wer gebiert. Das muss man sich einmal vorstellen …! Mit Demokratie hat das jedenfalls nichts zu tun. Es handelt sich dabei lediglich um eine heimtückische Eigenmächtigkeit der Biochemie, die da autokratisch bestimmt: Aus zwei X-Chromosomen entsteht ein Mädchen, aus einem X- und einem Y-Chromosom ein Junge. Basta! Keine Diskussionen!
Und das funktioniert so: Außer den roten Blutkörperchen enthält jede Zelle des menschlichen Körpers einen Zellkern. In jedem Zellkern befinden sich fadenförmige Chromosomen in unterschiedlichen Längen, in denen das Erbgut gespeichert ist. Chromosomen bestehen aus der sogenannten DNS, der Desoxyribonukleinsäure. Der gesunde Mensch hat 46 Chromosomen, die Paare bilden. 22 Paare davon sind identisch. Nur das 23. Paar kann verschieden sein. Und ausgerechnet das bestimmt über unser Geschlecht bzw. über unser zukünftiges Paarverhalten. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie des Schicksals, oder? Die Frau hat pro Zelle zwei X-Chromosomen, der Mann ein X- und ein Y-Chromosom. Oder sollte man sagen, dass bei ihm lediglich ein Ast vom zweiten X abgebrochen ist? Graf Fito (ein deutscher Gebrauchsphilosoph, der eigentlich Klaus Klages hieß) hat schon 1938 in frappierender Selbsterkenntnis gesagt: »Der Mann ist lediglich das Ergebnis eines verkrüppelten Chromosoms.« Und Philosophen fragen sich seit jeher, ob der fehlende »Ast« am X den Mann zum wahren, schwachen Geschlecht macht, oder ob es sich bei ihm eigentlich um eine unvollkommene Frau handelt. Doch das steht auf einem anderen Blatt.
Tatsache ist, dass dieser »kleine Unterschied« (und kleiner geht es kaum) fürderhin unser ganzes Leben bestimmt. Und auch der berühmte emanzipatorische Satz von Simone de Beauvoir »Man wird nicht als Frau geboren, man wird es« scheint in diesem Zusammenhang von den biologischen Tatsachen ad absurdum geführt. Aber vielleicht ist genau diese winzige Diskrepanz zwischen dem einzigen Chromosomenpaar, das Mann und Frau unterscheidet, auch der Ur-Grund für das ewige Bedürfnis, sich begehren und ablehnen, sich streiten und versöhnen, sich trennen und ergänzen, sich hassen und lieben zu wollen. Die DNS ist schlau: Sie hat uns damit das Lustprinzip quasi schon in die Wiege gelegt.
Gleichheit? Wer will das schon?
Der biologische Unterschied des Chromosomenaufbaus sorgt dafür, dass Männer und Frauen sich zeitlebens damit abmühen, sich gleichzeitig zu ergänzen und voneinander unterscheiden zu wollen. Darin liegt einerseits viel Leid, andererseits aber auch viel Lust. Und es macht diesen ganz besonderen Reiz aus, der nicht nur unsere Erotik bestimmt, sondern auch den normalen Alltag, das berufliche Leben und das soziale Verhalten. Möchten Sie vielleicht Ihrem Lebensgefährten den Stuhl im Restaurant zurechtrücken? Halten Sie ihm die Autotür auf? Oder trägt er vielleicht spitzenbesetzte Dessous und trainiert seinen Beckenboden beim Aerial Yoga? Wahrscheinlich eher nicht. Zugegeben, das sind Klischees. Aber es ist auch viel Wahres dran. Denn tatsächlich sind die Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnisse von Männern und Frauen nachweislich sehr unterschiedlich. Und zwar ganz unabhängig von der Erziehung und gesellschaftlichen Rollenmustern.
»Frauen lernen schnell und Männer glauben, sie wüssten schon alles«, besagt ein Sprichwort. Evolutionsbiologische Forschungen behaupten, Frauen seien emotionaler, weil ihr Körper ihnen das diktiere, während dies die Männer dazu befähige, abstrakter zu denken. Nach den Erkenntnissen der Gen-Forschung sind Frauen weniger suchtgefährdet als Männer, begehen seltener Selbstmord, ertragen Schmerzen und Stress besser und bringen beim Lernen in der Schule oder während des Studiums im Durchschnitt bessere Leistungen als Männer. Das hat wohl damit zu tun, dass das X-Chromosom,
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