Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
in eine kleine, aber hübsche Kammer, setzte ihm Wein und Nahrung vor und ging dann wieder fort. Es wird nicht erzählt, wo ihm abends sein Schlaflager angewiesen wurde. Die Nacht verging.
Am nächsten Morgen kam die Jungfrau zu ihm und sagte, daß sie nicht zu seinem Vergnügen dort bleiben dürfe, gab ihm aber sonst alles, was zu seinem Zeitvertreib dienen konnte.
So verging der Winter bis Weihnachten. Am Heiligabend kam die schöne Jungfrau zu ihm und sagte, wenn er glaube, daß sie ihm etwas Gutes erwiesen hätte, dann müßte er ihr eine Bitte gewähren und dürfe sie ihr nicht abschlagen. Wenn am nächsten Tage ein großes Tanzfest stattfände und ihr Vater sie rufen ließe, um sich das Spiel anzusehen, dürfe er nicht neugierig sein und zum Fenster hinaussehen. Sie würde ihm schon genug bringen, damit er sich hier drin zerstreuen könne. Er versprach ihr, nicht neugierig zu sein. Am ersten Feiertag morgens brachte sie ihm Wein und was sonst zu seiner Nahrung dienen konnte, bot ihm Lebewohl und ging ihres Weges.
Aber gleich darauf hörte er Gesang und Saitenspiel. Da dachte er bei sich, was für eine große Freude dort wohl herrsche und daß es gewiß nichts schaden könnte, wenn er einen Augenblick hinausschaute. Es brauchte ja niemand zu sehen.
Da kletterte er in die Höhe, um den Tanz sehen zu können, und als er hinausblickte, sah er eine große Menge Menschen. Einige tanzten, andere führten allerlei Saitenspiel aus, und mitten im Gedränge sah er einen königlichen Mann sitzen, eine Krone auf dem Haupt und eine Frau zu jeder Seite. Er dachte, das müßten die Königin und die Tochter des Königs sein. Diese aber erkannte er wieder. Er wagte nun nicht länger hinauszusehen und ging vom Fenster fort. Der Tanz dauerte bis zum Abend.
Als die Jungfrau aber dann zu ihm hereinkam, war sie entgegen ihrer Gewohnheit schweigsam. Doch sagte sie ihm, daß er sein Versprechen, nicht hinauszusehen, schlecht eingehalten habe, obgleich sie es so habe einrichten können, daß ihr Vater es diesmal nicht gemerkt habe.
Es ging nun auf Neujahr, ohne daß etwas geschah.
In der Silvesternacht kam die Jungfrau zu ihm und sagte, daß sie am nächsten Tage mit ihrem Vater hinginge, um sich den Tanz anzusehen, und daß er ihr gegenüber sein Wort besser halten müßte, als er es zu Weihnachten getan habe, und nicht neugierig sein dürfe. Er versprach nun bei allem, was ihm heilig war, daß er diesmal nicht hinausblicken würde. Sie brachte ihm wieder Wein und Nahrung und allerlei Zeitvertreib und ging fort.
Als es aber Morgen geworden war, hörte er noch mehr Lärm und Freude draußen als zu Weihnachten. Da sagte er sich, daß er jetzt nicht hinaussehen wolle, denn es wäre ja dasselbe wie zu Weihnachten, und viel verstrich vom Tage, während er ruhig dasaß. Da begann ihn aber die Neugierde zu quälen – so gar nichts von der großen Freude zu erfahren –, und er spähte hinaus und sah, daß der Tanz viel reizvoller als das vorige Mal war, denn es tanzten viele strahlende Ritter vor der Königin und dem König. Da zog er sich eiligst vom Fenster zurück, sah aber, daß niemand das Auge nach seinem Fenster wandte, und so ging es bis zum Abend. Als die Jungfrau dann am nächsten Abend zu ihm kam, war sie aufgebracht und machte ihm Vorwürfe, daß er sie abermals getäuscht hätte. Trotzdem trübte dies das Verhältnis zwischen ihnen nicht. Denn sie war ihm genauso gut wie vordem.
Der Winter verstrich, und so ging es auf Ostern. Am Osterheiligabend kam die Jungfrau zu ihm, sprach ihn freundlich an und bat ihn, am nächsten Tag ja nicht neugierig zu sein, auch wenn er hören sollte, daß die Freude groß wäre. Denn wenn ihr Vater merke, daß sie ein männliches Wesen bei sich hätte, dann würde es sie das Leben kosten. Am Ostermorgen kam sie zu ihm und brachte ihm alles, was er sich nur hätte wünschen können, bot ihm Lebewohl und verließ ihn dann. Die Belustigung begann wieder wie zuvor. Aber als der Tag verging, begann die Einsamkeit ihn zu langweilen, und er ging aus seiner Kammer in die danebenliegende hinein. Er dachte, die Jungfrau würde es nicht merken, wenn er von dort aus hinausschaute. Einen Augenblick später tat er das und sah alles genauso wie zu Neujahr. Dann ging er in seine Kammer und blieb dort, bis die Jungfrau abends hereinkam. Da war sie unwillig gegen ihn und sagte, daß er sie heute im Stich gelassen hätte wie das vorige Mal. Sie wüßte nicht, ob ihr Vater Wind von seinem Aufenthalt bekommen
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