Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
Kamerad: »Nun muß ich mich von dir trennen. Ich kann nicht weiter bei dir bleiben.« Aber der Bursche wollte von einer Trennung nichts wissen und ihn um keinen Preis weggehen lassen.
Also ging er noch eine halbe Meile mit, aber weiter konnte er nicht mehr, und als der Bursche in ihn drang und ihn nötigen wollte, mit ihm nach Hause zu kommen und dazubleiben oder doch wenigstens die Heimkehr mitzufeiern, da sagte er immer nur, nein, er könne nicht. Da fragte ihn der Bursche, was er denn haben wolle als Lohn für seine Begleitung und Hilfe. »Wenn ich mir etwas wünschen soll, so möchte ich die Hälfte haben von allem, was du in den nächsten fünf Jahren gewinnst«, sagte der Kamerad. Das wurde ihm auch zugesagt.
Als der Kamerad fort war, versteckte der Bursche seinen ganzen Reichtum und zog spornstreichs nach Hause. Da feierten sie ein Heimkehrfest, daß man in sieben Königreichen davon sprach, und als das vorbei war, mußten sie den ganzen Winter lang mit den Böcken und mit den zwölf Pferden, die der Vater hatte, hin- und herfahren, um alles das Gold und Silber nach Hause zu schaffen.
Nach fünf Jahren kam der Kamerad wieder und wollte sein Teil haben. Da schied der Mann seine ganze Habe in zwei gleiche Teile.
»Aber ein Ding hast du nicht geteilt«, sagte der Kamerad.
»Was wäre das?« fragte der Mann. »Ich glaubte, ich hätte alles geteilt.«
»Du hast doch ein Kind bekommen«, sagte der Kamerad. »Das mußt du auch in zwei Teile teilen.«
Ja, so war es wirklich. Er nahm also das Schwert, aber als er es aufhob und das Kind teilen wollte, packte der Kamerad die Schwertspitze, so daß er nicht zuschlagen konnte.
»Freust du dich nicht, daß du nicht zuschlagen mußtest?« sagte er.
»Ja, so froh war ich noch nie«, sagte der Mann.
»So froh war auch ich, als du mich aus dem Eisklumpen befreitest«, sagte der Kamerad. »Behalte alles, was du hast. Ich brauche nichts, denn ich bin ein schwebender Geist.« Und er erzählte, er sei der Weinhändler, der in dem Eisklotz vor der Kirchentür lag und den alle anspien. Und er sei sein Kamerad geworden und habe ihm geholfen, weil der Bursche seine Habe drangegeben habe, um ihm Frieden und ein christliches Begräbnis zu verschaffen. Er habe ihn ein Jahr lang begleiten dürfen, und das sei bei ihrem ersten Abschied abgelaufen gewesen. Nun habe er ihn nochmals besuchen dürfen, aber jetzt müßten sie sich für immer trennen, denn nun riefen ihn die Himmelsglocken.
Vom Schenken
(Joachim Ringelnatz)
Schenke groß oder klein,
aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten die Gabe wiegen,
sei dein Gewissen rein.
Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
was in dir wohnt
an Meinung, Geschmack und Humor,
so dass die eigene Freude zuvor
dich reichlich belohnt.
Schenke mit Geist ohne List,
Sei eingedenk,
daß dein Geschenk –
du selber bist.
Der Schneemann
(Hans Christian Andersen)
I n mir knackt es ganz prächtig, es ist so wunderbar kalt!« sagte der Schneemann. »Der Wind kann schon Leben in einen beißen! Und die Glühende da, wie sie glotzt!« Damit meinte er die Sonne, die gerade unterging. »Die soll mich nicht zum Blinzeln bringen, ich kann meine Brocken wohl festhalten!«
Das waren zwei große, dreieckige Ziegelbrocken, die ihm als Augen dienten; sein Mund war ein Stück von einer alten Harke, deshalb besaß er Zähne.
Er war unter dem Hurra-Geschrei der Jungen geboren worden, Glöckchenklang und Peitschenknall hatten ihn von den Schlitten begrüßt.
Die Sonne ging unter, der Vollmond ging auf, rund und groß, hell und herrlich in der blauen Luft.
»Da haben wir sie wieder von einer anderen Seite!« sagte der Schneemann. Er glaubte nämlich, die Sonne erschiene von neuem. »Ich habe ihr das Glotzen abgewöhnt! Jetzt darf sie da hängen und leuchten, damit ich mich selbst sehen kann. Wenn ich nur wüßte, wie man es anstellt, daß man von der Stelle kommt! Wie gern würde ich mich fortbewegen! Könnte ich das, dann rutschte ich auf dem Eis herum, wie ich es bei den Jungen sah; aber ich kann nun einmal nicht laufen!«
»Weg! Weg!« kläffte der alte Kettenhund. Seit der Zeit, als er Stubenhund gewesen war und unter dem Kachelofen gelegen hatte, war er etwas heiser. »Die Sonne wird dir schon Beine machen! Das habe ich voriges Jahr bei deinem Vorgänger gesehen und bei dessen Vorgänger auch. Weg! Weg! Und weg sind sie alle!«
»Ich verstehe dich nicht, Kamerad!« sagte der Schneemann. »Soll die da oben mir Beine machen?« Er meinte den Mond. »Ja,
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