Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
Kachelofen träume ich heute noch – weg! weg!«
»Sieht ein Kachelofen so schön aus?« fragte der Schneemann. »Sieht er mir ähnlich?«
»Der ist genau das Gegenteil von dir! Kohlschwarz ist er, hat einen langen Hals mit einer Messingtrommel. Er frißt Brennholz, daß ihm das Feuer aus dem Maul steht. Man muß sich an seine Seite halten, ganz dicht, und unter ihn kriechen, das ist überaus angenehm! Da, wo du stehst, mußt du ihn durchs Fenster sehen können.«
Und der Schneemann sah, und tatsächlich sah er einen schwarzen, blankpolierten Gegenstand mit einer Messingtrommel, aus dem unten das Feuer leuchtete. Dem Schneemann wurde ganz sonderbar zumute; er hatte eine Empfindung, die er sich selbst nicht erklären konnte; etwas kam über ihn, das ihm unbekannt war, das aber alle Menschen kennen, sofern sie nicht Schneemänner sind.
»Und warum hast du sie verlassen?« fragte der Schneemann. Er spürte, daß dies ein weibliches Wesen sein müsse. »Wieso konntest du einen solchen Ort verlassen?«
»Dazu war ich wohl gezwungen«, sagte der Kettenhund. »Sie haben mich hinausgeworfen und hier an die Kette gelegt. Ich knabberte gerade an einem Bein, und der jüngste Junker stieß mich weg, dafür habe ich dann in sein Bein gebissen – Bein um Bein, denke ich! Aber das haben sie mir verübelt, und seit dieser Zeit bin ich angekettet und habe meine klare Stimme verloren, hör nur, wie heiser ich bin. Weg! Weg! Das war das Ende davon!«
Doch der Schneemann hörte nicht mehr zu; er schaute noch immer in die Kelleretage, in die Stube der Haushälterin, wo der Kachelofen auf seinen vier Eisenbeinen stand und ihm an Größe ebenbürtig war.
»In mir knackt es so seltsam!« sagte er. »Soll ich denn niemals zu ihr kommen? Das ist ein unschuldiger Wunsch, und unsre unschuldigen Wünschen werden doch sicher erfüllt. Es ist mein innigster Wunsch, mein einziger Wunsch, und es wäre fast ungerecht, wenn er unerhört bliebe. Ich muß dorthin, ich muß mich an sie lehnen, und müßte ich dafür das Fenster zerschlagen!«
»Da kommst du nie hin!« sagte der Kettenhund. »Und wenn du zum Kachelofen kommst, dann bist du weg! weg!«
»Ich bin so gut wie weg!« sagte der Schneemann. »Ich glaube, ich gehe kaputt!«
Den ganzen Tag stand der Schneemann da und schaute ins Fenster. In der Dämmerung wurde die Stube noch einladender; aus dem Kachelofen leuchtete es so mild, wie nicht der Mond und nicht die Sonne, nein, wie nur der Kachelofen leuchten kann, sofern etwas in ihm ist. Wenn seine Tür geöffnet wurde, schlug die Flamme heraus, das war so ihre Gewohnheit; das weiße Gesicht des Schneemanns glühte ordentlich rot, der rote Schein reichte ihm bis zur Brust.
»Das ertrage ich nicht!« sagte er. »Wie gut es ihr steht, die Zunge herauszustrecken!«
Die Nacht war sehr lang, doch nicht für den Schneemann, er war in seine eigenen schönen Gedanken versunken, und die froren, daß sie knackten.
Am Morgen waren die Kellerfenster zugefroren und mit den schönsten Eisblumen geschmückt, die ein Schneemann jemals verlangen konnte, doch sie verdeckten den Kachelofen. Die Scheiben wollten nicht auftauen, er konnte seine Dame nicht sehen.
Es knackte, es knisterte, es war just ein Frostwetter, das einen Schneemann freuen mußte, aber er war nicht froh; er hätte sich so glücklich fühlen können und sollen, aber er war nicht glücklich, er hatte Kachelofen-Sehnsucht.
»Das ist für einen Schneemann eine gefährliche Krankheit!« sagte der Kettenhund. »Ich habe auch daran gelitten, aber ich habe sie überstanden. Weg! Weg! – Und jetzt schlägt das Wetter um!«
Und das Wetter schlug um, es kam Tauwetter.
Es taute immer mehr, und der Schneemann wurde immer weniger. Er sagte nichts, er klagte nicht, und das ist das rechte Zeichen.
Eines Morgens fiel er zusammen. Wo er gestanden hatte, steckte etwas wie ein Besenstiel, um den herum hatten die Jungen ihn einmal gebaut.
»Jetzt kann ich das mit seiner Sehnsucht verstehen«, sagte der Kettenhund. »Der Schneemann hatte einen Feuerhaken im Leib! Das also hat sich in ihm gerührt, jetzt ist es überstanden; weg, weg!«
Und bald war auch der Winter überstanden.
»Weg, weg!« kläffte der Kettenhund. Doch die kleinen Mädchen auf dem Hof sangen:
»Waldmeister, komm aus deinem Haus,
Du, Weide, häng die Handschuh raus,
Singt, Kuckuck, Lerche, in diesem Jahr
Ist Frühling schon Ende Februar!
Ich singe mit euch, daß es schallt!
Komm, liebe Sonne, komme bald!«
Und niemand denkt an
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