Weihnachtsengel gibt es doch
versuchte, die Panik in Schach zu halten, die sich in ihr breitmachte. „Doch ich ahnte nicht, dass es so fatal aussieht.“ Ja, fatal. Das war ein Wort, das sie nicht jeden Tag benutzte. Unglücklicherweise war es jedoch genau das richtige Wort für diese Situation. Sie setzte ein entschlossenes Lächeln auf und sagte: „Wir können einen Notaufruf starten. Eine weitere Spendensammlung initiieren. Eine ganze Serie von Spendensammlungen. Wie wäre es mit einem dringlichen öffentlichen Aufruf, einer Kampagne? Mit einer Auktion oder einem Fest …“ Ihr Lächeln verblasste, als sie die ausdruckslosen Gesichter sah. „Ich weiß. Das haben wir alles schon getan.“
„Und ehrlich gesagt haben wir nicht mal mehr das Geld für Briefmarken“, sagte die Schatzmeisterin.
„Wie steht es mit den Notfallfonds der Gemeinde? Oder des Staa tes?“
„Auch wenn wir das anders sehen, Miss Davenport, handelt es sich hierbei nicht um einen Notfall wie einen Waldbrand oder eine Flut. Wir müssen der traurigen Tatsache ins Auge sehen, dass unsere Ausgaben unsere Einnahmen weit überschritten haben, und das schon seit einiger Zeit.“ Er zeigte auf die große, einschüchternde Zahl, die in kräftigem Rot auf die Seite gedruckt war. „Wir werden es nicht schaffen.“
„Es muss doch aber etwas geben, was wir tun können“, beharrte sie. „Wie wäre es, wenn wir den Vertrag mit Mr Byrne noch einmal neu verhandeln? Oder um einen Aufschub bitten, bis wir das notwendige Geld beisammenhaben?“
„Warren Byrne? Er ist der geizigste Mann der Stadt.“
„Und der reichste“, fügte sie hinzu.
„Das hat er nur durch seinen Geiz erreicht. Er wird der Bücherei nicht einen Penny geben.“ Mr Shannon schüttelte den Kopf. „Wir haben ihn gefragt, und er hat sich geweigert. Die Summe, die wir benötigen, liegt vollkommen außerhalb unserer Möglichkeiten, so einfach ist das. Unsere Hauptsponsoren sind mehr als großzügig gewesen, aber esgibt ein Limit, was man mit privaten Geldern erreichen kann. Ohne das Geld der Stadt haben wir keine Chance“, sagte er mit einem erschöpften Seufzen. „In den momentanen Zeiten können selbst unsere großzügigsten Spender keine ganz so großen Verpflichtungen mehr eingehen – wenn überhaupt. Wenn die Stadt die letzte Anleihe nicht gebraucht hätte, befänden wir uns vielleicht nicht in dieser Lage, aber so weigern die Wähler sich, unseren Zuschuss zu genehmigen.“
Maureen knirschte mit den Zähnen. Eine kleine, aber stimmgewaltige Gruppe protestierender Steuerzahler hatte die Menschen der Stadt überzeugt, dass die Bücherei nicht wert war, gerettet zu werden, wenn diese Rettung mit einer minimalen Mehrwertsteuererhöhung einherging. Sie hatte alles getan, um die Leute umzustimmen, war aber kläglich gescheitert.
Die Schatzmeisterin verteilte ihren letzten Finanzbericht. „Unter den gegebenen Umständen kommen wir nicht einmal in die Nähe unseres notwendigen Budgets fürs nächste Jahr. Wir haben bis zum Jahresende Zeit, um die Türen zu schließen und alle Aktivposten auf die anderen Büchereien im Landkreis zu verteilen.“
Maureen sah ihre eigene Verzweiflung in den Gesichtern der anderen gespiegelt. „Was passiert dann mit all dem hier?“
„Die Bücher und Einrichtung werden auf die anderen Büchereien verteilt. Das Grundstück wird vermutlich an einen Bauunternehmer verkauft. Dank einer Verfügung zum Erhalt des Gebäudes wird es wohl weiterhin genutzt und nicht abgerissen.“
„Für was genutzt?“, wollte Maureen wissen. Vor ihrem inneren Auge sah sie dieses altehrwürdige Gebäude in einen Heimwerkermarkt oder ein Bed & Breakfast verwandelt. Nicht, dass sie etwas gegen Heimwerkermärkte oder Bed & Breakfasts hatte, aber das hier war eine Bücherei .
„Sie geben also auf“, sagte sie. „Einfach so.“
„Nicht einfach so“, widersprach Mr Shannon, dem dieErschöpfung deutlich anzuhören war. „Wir haben nichts unversucht gelassen, jeden Stein umgedreht. Sie wissen, dass wir ohne Pause arbeiten.“
„Ich weiß, es tut mir leid. Es ist nur … es geht hier um die Bücherei.“ Ihre Stimme war nur noch ein gebrochenes Flüstern. Sie deutete in einer schwachen Geste auf den Raum, an dessen Wänden alte Fotografien hingen, die von der Geschichte der Bücherei zeugten. Der Türbogen umrahmte den Blick auf den Hauptraum. Im fahlen Licht, das durch die Fenster fiel, schimmerten die Bücherregale und die polierten Oberflächen der Eichentische.
„Und genau das ist das
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