Weihnachtsengel gibt es doch
Jabez den Ständer wieder aufrichtete. Ein paar Minuten später war alles wieder an Ort und Stelle. Der Großvater ging mit großen Schritten auf einen wartenden Maybach zu. Das Kind lief ihm hinterher, zögerte dann und holte eine Dollarnote aus seiner Hosentasche, die es schnell in den Sammeleimer steckte. Jabez dankte ihm, abervermutlich hörte der Junge das gar nicht mehr, so schnell wie er lief, um seinen Großvater einzuholen.
Eddie musterte den Jungen namens Jabez, der dem ungleichen Paar nachdenklich hinterherschaute. Ehrlich gesagt schauten eine Menge Leute dem Maybach nach, denn so ein Auto sah man hier nicht jeden Tag. Aber Jabez schien sich mehr auf den älteren Mann zu konzentrieren.
„Er kommt mir irgendwie bekannt vor“, sagte er.
„Alles in Ordnung?“, fragte Eddie.
„Sicher“, erwiderte Jabez.
„Hast du Hunger?“ Eddie hielt ihm seine Tüte hin.
„Nein, aber danke.“
Eddie hatte gelernt, auf Jugendliche keinen Druck auszuüben und nicht zu stark nachzufragen, denn das endete meist nur damit, dass das Kind weglief und für immer verschwand. „Arbeitest du gerne ehrenamtlich?“
Der Junge zeigte auf den kleinen Blecheimer der Heilsarmee. „Sieht so aus.“
„Gut. Wir werden am Freitagabend eine Krippe aufbauen – weißt du, was das ist?“
Der Junge kicherte. „Ja, ich weiß, was eine Krippe ist.“
„Ich frag ja nur. Wie auch immer, wir könnten noch ein paar Freiwillige gebrauchen.“ Er schrieb Zeit und Ort auf seine weiße Papiertüte, riss das Stück ab und reichte es Jabez. „Vielleicht sehe ich dich dort?“
Jabez nahm das Stück Papier und steckte es in seine Brusttasche. „Ja, vielleicht werden Sie das.“
4. KAPITEL
N ach ihrem Treffen mit Eddie Haven war Maureen von zwei Dingen überzeugt. Erstens, Eddie würde in den folgenden Wochen ein echtes Problem werden. Und zweitens, er war nicht das Schlimmste, was sie diese Woche zu erwarten hätte.
Sie hatte ein seltsames Gefühl der Vorahnung, als sie am nächsten Tag länger in der Bücherei blieb. Nach Feierabend war ein wichtiges Ausschusstreffen einberufen worden. Sie war zwar kein Mitglied des Büchereivorstands, aber dennoch ein wichtiger Teilnehmer ihrer Versammlungen. Während sie auf das Eintreffen der kleinen Gruppe wartete, machte sie ihren üblichen Rundgang, um die Bücherei für die Nacht zu sichern. Am Haupteingang trat sie kurz nach draußen und atmete tief die kalte, klare Nachtluft ein.
Ein leichter Schneefall wäre jetzt nett, dachte sie und ließ ihren Blick über die Parklandschaft gleiten. In einem Nebengarten mit einer uralten Eibe, die Gerüchten zufolge aus dem Garten des Cadbury Castle in England stammte, stand ein kleinerer, einsam aussehender Granitblock mit einer Erinnerungsplakette darauf. Es war das bescheidene Denkmal für den unbekannten Jungen, der in dem Feuer vor einhundert Jahren umgekommen war.
Die Bäume hatten längst ihren bunten Blättermantel fallen lassen. Das Gras hatte sich in die Winterruhe begeben und lag kraftlos und trocken da, als wenn es nie wieder wachsen würde. Ein Gefühl der Trostlosigkeit schwebte über allem und verlieh dem gesamten Ort eine Aura des Wartens. Ein schöner, reiner Schneefall würde alles ändern. Am östlichen Ende des Willow Lake gelegen, gab es in Avalon normalerweise immer sehr früh und reichlich Schnee. Aber das Wetter hatte seine eigenen Zeitpläne und ließ sich von einem einfachen Wunsch nicht zur Eile antreiben.
Genug Trübsal geblasen, sagte sie sich. Es bedurfte schon mehr als eines Eddie Havens oder eines Fiaskos auf der Arbeit, um ihr Weihnachten zu vermiesen.
Zeit, nach drinnen zurückzukehren und sich auf das Meeting vorzubereiten. Als sie unter dem gebogenen Säulengang aus verziertem Beton hindurchschritt, konnte sie noch immer ein leichtes Echo der Ehrfurcht spüren, die zu wecken der Eingang der Bibliothek gebaut worden war. In den Beton gemeißelt waren die Worte Mache die Bücher zu deinen Gefährten. Lass die Bücherregale dein Ort des Vergnügens und dein Garten sein. – Judah Ibn Tibbon (12. Jahrhundert) . Was, so fand Maureen, diplomatisch ausgedrückt bedeutete, es ist in Ordnung, kein Leben zu haben.
Das war ungerecht ihr selbst gegenüber. Sie hatte ein Leben, ein Leben in Büchern und umgeben von einer großen, unterstützenden Familie. Das war mehr, als viele Menschen hatten, und sie war sehr dankbar dafür.
Sie nahm sich einen Joghurt aus dem kleinen Kühlschrank im Pausenraum und erklärte ihn zu ihrem
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