Weihnachtsengel gibt es doch
Kaffee“, fragte Julian. „Oder …“
Sie wollte den Kaffee. Sie wollte das Oder . Aber beides war im Moment leider keine Option. „Ich wünschte, ich hätte“, sagte sie und zeigte in Richtung Bibliothek. „Charlie ist da drin und bekommt gerade eine Geschichte vorgelesen.“
„Dann heute Abend“, sagte Julian. „Hast du heute Abend Zeit? Mir ist es egal, wie spät ich aufbreche, um nach Cornell zurückzufahren.“
Sie dachte an Logans SMS von vor wenigen Minuten, und ihr wurde das Herz schwer. „Unglücklicherweise habe ich heute keine Zeit.“ Verdammt, dachte sie. Verdammt. „Und ich will nicht, dass du bei diesem Wetter spätnachts noch fährst. Trotzdem, ich wünschte, wir hätten ein wenig mehr Zeit füreinander.“
„Du meinst, mehr als fünf Minuten?“, fragte er. „Ja, das wünsche ich mir auch.“
Er hatte ein magisches Lächeln. Wenn sie so darüber nachdachte, war eigentlich alles an ihm magisch. Er war groß und unglaublich gut aussehend, sogar nachdem er sich für die Air Force die Dreadlocks abgeschnitten hatte. Doch es war nicht nur sein Aussehen, was sie so anzog. Er faszinierte sie einfach, und er war ihr gegenüber immer unerschütterlich loyal und beschützend.
„Na ja, zumindest sehe ich dich dann an Weihnachten, oder?“, sagte Daisy. Gott sei Dank, dachte sie. Mit Charlie bei den Großeltern hatten die Feiertage schon gedroht, eine große Katastrophe für sie zu werden. Aber wenn Julian da war … Sie stellte sich vor, wie sie sich zusammenkuscheln und Musik hören würden, endlich einmal Zeit fänden, ungestört miteinander zu reden, oder einander einfach nur zu halten und näherzukommen. Sie konnte ihre Gefühle nicht unterdrücken, deshalb sagte sie: „Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich am Heiligabend brauche, Julian. Ich hatte schon Angst, dass ich ihn ganz allein verbringen müsste.“
„Daisy …“
„Ich habe mich so davor gefürchtet“, fuhr sie schnell fort. „Logan nimmt Charlie Heiligabend zu seiner Familie nach Long Island mit, was für mich wirklich grausam ist, weißt du, so ohne ihn, selbst wenn es nur für eine Nacht ist. Aber der Gedanke, am Weihnachtsmorgen ohne ihn aufzustehen …“
„Daisy, da kann ich dir leider auch nicht helfen.“ In Julians Gesicht zeigte sich sein schmerzhafter Ausdruck.
„Ich weiß, aber wenn du hier bist, wird es erträglicher.“
„Das versuche ich dir ja gerade zu erklären. Ich werde nicht hier sein. In den Weihnachtsferien habe ich ein Training in Florida.“
Sie brauchte einen Augenblick, um diese Nachricht zu verdauen. „Training. Du trainierst an Weihnachten.“
„Das ist eine Pflichtveranstaltung“, erklärte er.
„Über Weihnachten ?“
„Das ist der Preis für ein Stipendium der Air Force“, sagte er. „Ich habe achtundvierzig Stunden frei, aber das reicht nicht, um nach Hause und zurück zu fahren. Sieh mal, ich erhalte eine kostenlose Ausbildung, und dafür muss ich ein paar Nachteile in Kauf nehmen. Ich finde, es ist ein fairer Deal. Ich wäre Weihnachten wirklich gerne hier, aber das geht nun mal nicht. Ich muss an meine Zukunft denken. Ich habe mit nichts angefangen und könnte mir Cornell ohne dieses Programm niemals leisten. Es ist das einzige Ticket für ein gutes Leben, das ich habe. Du weißt, wie wichtig das für mich ist.“
Und wann werde ich mal wichtig sein? fragte sich Daisy. Oder passiert das niemals?
Sie schaute zu Boden, weil sie ihn nicht mit ihren Unsicherheiten belasten wollte. „Du hast recht“, sagte sie leise. Sie riss sich zusammen, um ihre Sehnsucht und ihr Bedauern nicht zu zeigen. „Du musst tun, was du tun musst. Und ich genauso.“
„Es tut mir leid“, sagte er.
„Das muss es nicht. Es ist ja nicht deine Schuld. Wir sehen uns dann … wenn wir uns sehen, stimmt’s?“ Sie zwang sich zu einem strahlenden Lächeln. Dann schaute sie auf ihre Uhr. „Hör zu, ich will nicht, dass die Bibliothekarin denkt, ich hätte Charlie ausgesetzt. Also mach ich mich besser mal wieder auf den Weg.“
„Okay.“ Er nahm ihre Hand und drückte sie kurz auf seine Brust, nah an seinem Herzen. Seine Augen erzählten ihr Dinge, die er ihr niemals sagen würde, das wusste sie. Dann beugte er sich schnell vor und berührte ihre Lippen mit seinen. „Bye, Daisy. Ich hoffe, dass du und Charlie ein schönes Weihnachten habt.“
Noch mal, dachte sie. Küss mich noch mal.
Das tat er jedoch nicht, also trat sie einen Schritt zurück. „Du auch, Julian. Ruf mich an,
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