Weihnachtsengel gibt es doch
vorbeigekommen. Und du hast ihn förmlich in die Flucht geschlagen.“
„Ich war höflich.“
„Was tun Sie überhaupt hier“, äffte Renée sie nach. „Das hast du gesagt. Findest du das höflich?“
„Jetzt bist du das Naivchen. Eddie Haven und ich arbeiten zusammen an einem Projekt. Du liest da zu viel hinein.“
„Aha.“
„Er ist Eddie Haven, um Himmels willen.“
„Und du bist Maureen Davenport. Na und?“
12. KAPITEL
M au reen be trat den Ra di osender und begrüßte Brandi und Heidi, die Produzentin und die Technikerin. Der letzte verzweifelte Versuch, die Bücherei zu retten, würde heute von einem Live-Interview begleitet werden. Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, war sie nervös, gleich live auf Sendung zu gehen. Das lag definitiv außerhalb des Bereichs, in dem sie sich noch wohlfühlte, aber die Bücherei brauchte alle Hilfe, die sie kriegen konnte. Sie schlüpfte in die Sprecherkabine und setzte sich Eddie gegenüber. Er zeigte ihr, wie man die Kopfhörer aufsetzte, und positionierte ein pelzig aussehendes Mikrofon direkt vor ihr.
„Und wieder ist ein eiskalter Morgen in Avalon angebrochen“, verkündete er mit seiner butterweichen Stimme. „Die aktuelle Temperatur liegt bei knackigen minus neun Grad, also zieht euch warm an, bevor ihr das Haus verlasst. Noch besser, schenkt euch noch eine Tasse Kaffee ein und bleibt ein Weilchen länger zu Hause. Wir haben heute nämlich einen ganz besonderen Gast im Studio. Bitte begrüßt mit mir Maureen Davenport, Avalons Bibliothekarin, die heute in einer ganz besonderen Mission bei mir ist. Sie ist die Managerin der örtlichen Bücherei und möchte ein paar Neuigkeiten mit uns teilen. Herzlich willkommen, Maureen.“
„Hallo. Danke, dass ich hier sein darf.“ Sie klang steif und ungelenk. Vor langer Zeit hatte sie Schauspielkurse an der Schule und am College besucht. Sie sollte wissen, wie man so was machte, wie man sich entspannte und locker wurde. Stattdessen war ihre Kehle eng, und in ihrem Gehirn fand sich nichts, was einem klaren Gedanken auch nur im Entferntesten ähnelte.
Eddie musterte sie mit mitfühlender Professionalität – der Moderator, der versuchte, seinen aufgeregten Gast zuberuhigen. „Erzählen Sie uns ein wenig über die Bücherei. Was ist da los, und was können unsere Zuhörer tun, um zu helfen?“
Seine stahlblauen Augen beruhigten sie ganz und gar nicht. Glücklicherweise hatte sie sich ein Blatt mit Notizen mitgebracht. Eddie zuckte bei dem laut knisternden Geräusch zusammen, als sie das Blatt auseinanderfaltete. „Oh, sorry“, sagte sie und schlug sich innerlich die Hand an die Stirn. Die Hörer streckten vermutlich jetzt gerade ihre Hände nach dem Radio aus, um den Sender zu wechseln. Maureen schalt sich, das hier ja nicht zu vermasseln. Die Bücherei sollte nicht darunter leiden müssen, dass Eddie Havens Augen ihre Gehirnzellen außer Gefecht setzten.
Mit einem Blick auf ihre Notizen erklärte sie den Verlust der Beihilfen und das bevorstehende Auslaufen des 99 Jahre laufenden Pachtvertrags. Sie betonte, dass die einzige Hoffnung der Bücherei darin bestand, das operative Budget für ein Jahr zusammenzubekommen. Sie erwähnte auch den gescheiterten Versuch, die Mehrwert- und Verkehrssteuern um ein paar Cents anzuheben, um die Bücherei weiter zu finanzieren.
Während sie sprach, täuschte Eddie ein enormes Gähnen vor. „Um auf den Punkt zu kommen“, sagte sie schnell, „unsere Bücherei wird zum Ende des Jahres für immer schließen, wenn wir die entsprechende Summe nicht zusammenbekommen. Und zwar schnell.“
Er zeigte ihr den erhobenen Daumen. Sie verstand, was er meinte. Kurz und bündig bleiben.
„Erzählen Sie uns, welchen Einfluss der Verlust der Bücherei auf die Gemeinde hätte“, schlug er vor.
„Wissen Sie, verglichen mit anderen öffentlichen Einrichtungen und Institutionen ist das ein sehr subtiler Einfluss. Niemandem wird der Strom abgeschaltet. Es brennen keine Häuser ab. Die Schneepflüge werden weiter jeden Morgen ihre Arbeit verrichten. In anderen Worten, das Leben gehtweiter. Dennoch wäre es ein Verlust. Die Gemeinde verliert eine Quelle des kulturellen Reichtums und Lernens. Es ist nicht so unmittelbar wie die Instandhaltung von Straßen und Brücken, aber dafür reicht der Einfluss viel weiter. Eine Gemeinde ohne Bücherei ist eine Gemeinde, die Gefahr läuft, sich aufzulösen.“
„Können Sie erklären, was Sie damit meinen?“, hakte Eddie nach. „Auf welche
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