Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
Hausnummer in sein Heft geschrieben — vorne auf dem Heft stand ganz groß: Geheim. Viele Autonummern standen da schon drin und auch noch der Satz: Frau Schlünzen ist doof. Frau Schlünzen war nämlich seine Lehrerin, und die hatte einen Tag vor den Weihnachtsferien gesagt, heute singen wir alle ein lustiges Lied, und dann haben alle geübt, und dann haben alle gesungen: Heini, Heini, ach ist Heini dumm, stippt mit beiden Fingerchen im Tintenfaß herum. Aber — ha ha — Heini hat nicht mitgesungen, erst einmal hatte er gar kein Tintenfaß, und dumm war er auch nicht, und überhaupt, als die Schule aus war, hat er alles seiner Mutter erzählt — so. Seine Mutter hat dann gesagt — daß er gar nicht Heini heißt, sondern in Wirklichkeit Heinrich und die Lehrerin ihn bestimmt nicht gemeint habe. Aber das war egal, außerdem hatte er ja schon in sein Geheimbuch eingetragen, daß Frau Schlünzen doof ist. Heini hat geheult und ganz vergessen, daß er Hauptmann war, und er wollte auch nicht mehr Heinrich heißen. — Aber Papa heißt doch auch Heinrich und Opa — sogar der Vater von Opa hieß Heinrich, sagte die Mama.
Von Opa den Vater kenne ich gar nicht — da war’n wir noch nie, heulte Heini weiter. Die Mutter lachte und drückte ihren kleinen Hauptmann an sich. Auf einmal war es auch gar nicht mehr so schlimm, wenn sie ach mein kleiner Heini sagte.
Am nächsten Tag war alles vergessen — es war Heiligabend und das mit dem Weihnachtsmann war Heini, obwohl er schon zur Schule ging, auch wieder unklar geworden, und dunkel wollte es heute überhaupt nicht werden. Vom Geheimbund war auch keiner da — Jens hatte Grippe und durfte nicht raus. Dann — endlich — noch nie hatte er seine Mutter so schön laut Heini-i-i-i rufen hören — der Weihnachtsmann ist da.
Die Ritterrüstung, die er sich immer gewünscht hatte — da lag sie nun. Papa und Mama sagten, so eine Rüstung hat früher auch der edle Ritter Heinrich Löwenherz getragen — und auf einmal freute sich Heini — denn in Wirklichkeit hieß er ja auch Heinrich. Daß der edle Ritter von früher eigentlich Richard hieß, merkte Heini erst viele Jahre später.
Auf jeden Fall wollte er jetzt nur noch Heinrich heißen oder — wie alle sagten — Heini.
Papa — ich blickte auf - die Geschichte ist zu Ende, Stefan — Papa, warum heiße ich nicht auch Heinrich, wie du? Ja — warum eigentlich — also früher gab’s mal den heiligen Stephan — aber Papa, ich bin doch Hauptmann einer Räuberbande — ja — dann frag lieber Mama noch mal. Mütter können alles so schön erklären, du wirst es verstehen, genauso wie dein Papa, als er klein war.
Hanna Gengnagel
Weihnachtserlebnis eines Frosches
Einen seelenvolleren Frosch als «Himbeer» hat es wohl nie gegeben. Er war vielleicht so etwas wie ein Heiliger unter den Laubfröschen, seinem grundsoliden Lebenswandel und vor allem seinem merkwürdigen Ende nach zu schließen.
Es gab damals noch die grünen Gesellen in Hülle und Fülle, im Garten, in Hecken und Sträuchern, überall wohnten und quakten sie. In vielen Familien hielt man sich einen Frosch als Wetterpropheten im Glas mit einer Leiter. Saß er oben, blieb es schön, kletterte er nach unten, so tat man gut daran, den Schirm bereitzustellen.
In einem großen, mit Moos ausgepolsterten Einmachglas wiesen auch wir dereinst zwei Laubfröschen ihr Standquartier zu. Es stand unverschlossen auf dem Blumentisch, und die beiden konnten aus- und eingehen, kriechen oder hüpfen, wie sie wollten. Angeregt von dem halbabgerissenen Etikett des Glases nannten wir sie schlicht: «Himbeer und Johannisbeer».
Doch während Johannisbeer es bald vorzog, durchs geöffnete Fenster in den Garten zu entweichen, fühlte Himbeer sich zwischen Zimmerlinde, Tradeskantie, Begonien und Kakteen äußerst heimisch. Sein Tagesablauf war ganz geregelt. Während er die Nacht meist im Glas verbrachte, wo er auch ab und zu meckernd «sang», stieg er etwa um neun Uhr würdevoll und gemessen heraus, besah sich vom Glasrand aus eine geraume Zeit die Welt, bis er urplötzlich zwischen die Blätter hopste, um dann bis gegen Mittag im Untersatz der Tradeskantie zu baden. Darauf erklomm er gegen zwei Uhr im Zeitlupentempo ein Blatt der Zimmerlinde, auf dem er bis zum Abend regungslos verharrte. Fliegen, die man fing und ihm vorhielt, fraß er aus der Hand, und auch einen fetten Mehlwurm verschmähte er nicht. Ach, nichts beruhigt die gehetzten Nerven des modernen Menschen mehr, als
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