Weihnachtszauber 01
wirst du den Maylins nur allzu gut gefallen. Du könntest nicht zufällig eine abstoßende Angewohnheit entwickeln, um sie abzuschrecken?“
„Abstoßender noch, als meine Frau umzubringen?“ Will hob eine Augenbraue. „Ich fürchte, dazu reicht meine Fantasie nicht aus.“
Lucas stand da und schaute auf die Tür, nachdem sie sich hinter seinem Freund geschlossen hatte. Die bitteren Worte schienen noch in der Luft zu hängen. Er machte seinen Gefühlen Luft, indem er ein schmutziges Hemd über den Boden kickte. Dann eilte er in sein eigenes Zimmer, um sich umzuziehen. Von höher gestellten Dienstboten wurde erwartet, dass sie sich zum Dinner umkleideten, und der Anstand verbot es ihm, zu spät zu kommen – selbst wenn die Dame, die er zum Tisch führen würde, die Haushälterin war und keine Herzogin. Und an diesem Abend wollte er sich besonders Mühe geben: Es galt, eine gewisse kratzbürstige Zofe zu beeindrucken.
3. KAPITEL
Als Rowan den Raum des Butlers betrat, war sie beinahe ebenso aufgeregt wie bei ihrem ersten Besuch bei Almack’s – voll Angst, sie könnte jede Menge ihr völlig unbekannte Regeln brechen. Andererseits war sie mittlerweile vierundzwanzig und hatte den Duke of Wellington und fast so gut wie jeden Würdenträger des Wiener Kongresses im Haus ihres Vaters willkommen geheißen. Da sollte sie doch wohl in der Lage sein, sich unter hochrangigen Dienstboten angemessen zu bewegen.
Das Abendkleid, das sie trug, hatte einmal ihr gehört. Im letzten Jahr hatte sie es an Alice weitergegeben, ihre eigene Zofe, und es sich jetzt von ihr geborgt. Der kostbare Spitzenbesatz an Halsausschnitt und Saum war abgenommen – zweifellos hatte ihre Zofe sie verkauft, eines der Vorrechte ihrer Stellung – und durch eine bescheidenere Borte ersetzt. Alice hatte die schwere moosgrüne Seide gut in Schuss gehalten und lange Ärmel aus feiner Gaze eingesetzt.
Getragen mit einem schlichten Perlenkreuz als Kette, erwies sich das Kleid als Inbegriff bescheidener Eleganz und ihrer Stellung angemessen. Sich unauffällig zu kleiden war für sie eine neue Kunst – eine, die sie nie zuvor hatte beherrschen müssen, wie Rowan amüsiert erkannte.
Im Raum drängten sich die Dienstboten, Kammerdiener und Zofen plauderten angeregt miteinander. Offenbar kannten sich hier alle. Ein großer Mann in schwarzem Frack trat auf sie zu. „Guten Abend. Ich bin Mr. Evesham, der Butler hier.
Sie müssen Miss Maylins Zofe sein. Miss ...“
„Lawrence, Mr. Evesham.“ Anscheinend wurde ein Knicks erwartet. Rowan entschied sich für einen, der eines kirchlichen Würdenträgers oder der Gattin eines Baronets angemessen gewesen wäre. Offenbar genügte er den Anforderungen.
„Bitte treten Sie ein, Miss Lawrence. Darf ich Ihnen ein Glas Ratafia anbieten?“
Viel lieber als den süßen Likör hätte sie den trockenen Sherry getrunken, den die Männer alle tranken, aber sie hielt sich lieber zurück. Mit dem Glas in der Hand machte sie die Runde, sah sich nach jemanden um, mit dem sie sich unterhalten könnte. Natürlich schickte es sich nicht, einen Mann anzusprechen; eine Ehrfurcht gebietende ältere Dame, in der sie die Haushälterin erkannte, war mit dem Butler ins Gespräch vertieft, und die anderen Zofen teilten sich in drei Gruppen, anscheinend ihrem Rang entsprechend.
Bei den Dienstboten wird die Hierarchie weitaus strenger gehandhabt als auf jeder gesellschaftlichen Versammlung, dachte sie sich, während sie sich der Gruppe näherte, die ihr in der Hackordnung wohl am nächsten stand. Die Frauen unterbrachen ihre Unterhaltung und betrachteten sie misstrauisch.
„Guten Abend. Ich bin Miss Maylins Zofe, Daisy Lawrence.“ Das genügte, um das Eis zu brechen. Sie fand heraus, dass sie mit den Zofen von Miss Lincoln, der Ehrenwerten Miss Trent und Miss Harrington sprach. Rowan kannte keine dieser Damen und vermutete, dass sie erst nach ihrer Abreise nach Wien in die Gesellschaft eingeführt worden waren.
„Ich bin noch nicht lang bei Miss Maylin“, vertraute sie den anderen an. „Seit ich in ihren Diensten stehe, ist das die eindruckvollste Hausgesellschaft, zu der sie eingeladen wurde.“
„Vermutlich die eindruckvollste ihres Lebens“, bemerkte eine Zofe namens Miss Browne recht boshaft. „Jedenfalls sind wir Ihrer Vorgängerin nie begegnet. Meine Herrin sagt, dass sie eingeladen wurde, damit Lord Danescroft sie begutachtet.
Stimmt das?“
„Ich glaube, dass er eventuell Interesse zeigt. Für sie wäre es doch
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