Weihnachtszauber 01
dass ich sie begleite.“ Rowan wandte sich ab, ehe er weitere Fragen über ihre fiktive Vergangenheit stellen konnte, und ging ein Stück zurück. „Schauen Sie doch, unsere Fußstapfen. Ich liebe den Schnee, wenn er so rein und weiß ist und so knirscht wie jetzt.“
„Und sehen Sie sich die Aussicht an.“ Lucas war unter einem knorrigen alten Apfelbaum stehen geblieben und wies nach Süden. In der Ferne erstreckte sich der große künstliche See, die Parklandschaft war schneebedeckt, und das Einzige, was sich bewegte, war eine Herde Damwild, das eben am Waldrand auftauchte.
„Oh, wie herrlich. Das erinnert mich an da...“
„Woran?“
An daheim. „An Darlington Park, wo meine letzte Herrin oft zu Besuch weilte“, improvisierte Rowan rasch und lehnte sich an einen Baumstamm, der ihr als willkommener Windschutz diente. „Vergessen Sie mal die Aussicht – was ist mit Lord Danescroft? Wir haben bereits festgestellt, dass Miss Penelope zu furchtsam ist, um ihn abzuweisen, daher müssen wir uns darauf konzentrieren, ihn von ihr abzubringen.“
„Er wird ihre Lügengeschichten über ihre Wettschulden kaum glauben. Es sei denn, sie wäre eine hervorragende Schauspielerin.“
Rowan schüttelte den Kopf.
„Es ist also unwahrscheinlich, dass sie auf die Anzahl rothaariger Ministranten gewettet hat, ehe sie zusammen die Kirche betraten?“
„Höchst unwahrscheinlich. Was würde ihn denn abschrecken?“
„Lügen, Sittenlosigkeit, wenn jemand garstig zu Kindern ist.“
„Oh. Diese Liste ist ziemlich niederschmetternd. Hadert er denn nicht auch mit geringeren Charakterschwächen?“
„Ich bezweifle es. Ich habe ihm all Ihre Hinweise und Ihren Klatsch erzählt. Er hat alles mit einem Schulterzucken abgetan.“
„Das ist ja viel schwieriger, als ich dachte. Gibt es denn gar nichts, was ich ihr über ihn erzählen könnten, das so schlimm ist, dass ihr Vater die Ehe verbietet?“
„Nein.“ Lucas zog die Augenbrauen zusammen. „Gar nichts. Und ich habe nicht die Absicht, irgendetwas zusammenzubrauen. Wenn Sir Gregory sich durch den gegenwärtigen Skandal nicht abschrecken ließ, müsste man schon mit ganz schlimmen Dingen aufwarten, um ihn davon abzubringen, seine Tochter mit Lord Danescroft zu vermählen. Doch wie sieht es mit Miss Penelope aus? Kann ich ihm sagen, dass sie boshaft und hinterlistig ist und einen heimlichen Liebhaber hat?“
„Nein! Sie ist nichts dergleichen, und ich will ganz bestimmt nicht ihren Ruf aufs Spiel setzen. Sie werden ihn einfach weiterhin auf die Nachteile und die Unausgewogenheit einer solchen Ehe hinweisen müssen, und ich werde versuchen, sie davon zu überzeugen, dass die Welt nicht untergeht, nur weil sie ihrem Vater die Stirn bietet.“
Lucas betrachtete Daisys Gesicht, als diese den Kopf an die raue Rinde des Apfelbaums lehnte und über das Tal blickte, die Augen entweder vor Sorge oder gegen das blendende Weiß des Schnees zusammengekniffen. Sie faszinierte ihn.
Mehr als das, wenn er ehrlich war. Sie war als Dame erzogen worden, und doch diente sie jetzt irgendeiner unbedeutenden Null. Offenbar hatte sie die Arbeit dringend gebraucht. Ihm gefiel, wie treu ergeben sie Penelope Maylin war, die Art, wie sie sich gegen ihn behauptete, der Humor, der stets in ihren grünbraunen Augen blitzte – und er sah sie gern an.
Ihm hatte auch gefallen, wie sich ihre Lippen bei dem flüchtigen Kuss letzte Nacht angefühlt hatten. Und er hatte gespürt, wie Daisy zwischen Empörung und Leidenschaft schwankte. Ein Vogel begann über ihren Köpfen zu singen, süß und klar in der kalten Luft. Lucas sah auf und lächelte. Es war so überaus verlockend, einer kleinen Tändelei zu frönen. Einer klitzekleinen. Sicher würde das Miss Lawrences Herz nicht allzu sehr durcheinanderbringen, und überdies war er fest davon überzeugt, dass sie ihm eine schallende Ohrfeige versetzen würde, wenn ihr seine Aufmerksamkeiten nicht willkommen wären.
„Schauen Sie mal nach oben, Daisy.“
„Hmm?“ Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte in die kahlen Zweige. „Oh, ein Rotkehlchen – wie schön. Sehen Sie doch mal, wie es seinen Gesang hinausschmettert in die Welt. Kaum zu glauben, dass ein so winziger Federball einen solchen Lärm veranstalten kann.“
„Schauen Sie, oberhalb vom Rotkehlchen.“
Sie richtete den Blick weiter in die Höhe, und er sah, wie es beinahe unmerklich um ihre Mundwinkel zuckte, als sie entdeckte, wovon er sprach. Dann wurde sie wieder ernst und
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