Weihnachtszauber 01
klar geworden, dass dieser Kuss, der für sie die ganze Welt verändert hatte, für ihn nur ein nettes Zwischenspiel mit einer hübschen jungen Dame gewesen war. Die Kluft zwischen ihnen schien unüberwindlich: Er war ein berüchtigter Frauenheld, sie eine unschuldige junge Frau ohne jede Erfahrung.
Es war an der Zeit, die Wahrheit zu akzeptieren und alle romantischen Träume zu begraben. Sebastian, Duke of Fleet, würde sie niemals so lieben, wie sie ihn liebte.
Wie sie geliebt werden wollte. Wie sie es verdiente, geliebt zu werden.
Clara richtete sich ein wenig auf und presste die Fingerspitzen gegen die kalte Scheibe. Die Nacht dort draußen war schön, aber eisig. Nichts regte sich. Über den Bäumen, die ihre kahlen Äste in die Luft reckten, glitzerte ein einzelner Stern. Dann schob sich eine Wolke vor ihn, wanderte weiter, gab den Blick wieder frei. Der Stern schien jetzt heller zu leuchten.
Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben. Ich muss daran glauben, dass das Glück auf mich wartet.
Clara seufzte noch einmal, schob dann die Gardine vors Fenster und stand auf. In ihrem Schlafzimmer war es warm und friedlich. Doch sie hatte sich selten so kalt und einsam gefühlt.
„Perch“, sagte Sebastian und griff nach der Zeitung, die der Butler ihm auf einem silbernen Tablett hinhielt, „wissen Sie, in welchen Geschäften man Weihnachtsgeschenke für Säuglinge kaufen kann?“
Perch hob ungläubig die Augenbrauen. „Pardon, Euer Gnaden?“
Sebastian warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Ist etwas mit Ihren Ohren nicht in Ordnung?“
„Das glaube ich kaum, Euer Gnaden.“
„Dann haben Sie meine Frage also gehört. Können Sie sie beantworten?“
„Leider nicht.“
„Aber Sie können jemanden auftreiben, der über solche Geschäfte Bescheid weiß.“
„Selbstverständlich, Euer Gnaden.“ Perch verbeugte sich. „Möchten Sie, dass ich etwas Passendes besorge?“
„Nein“, gab Sebastian zurück, während er bereits die Überschriften auf der Titelseite der Zeitung las. „Ich werde mich selbst darum kümmern. Es reicht, wenn ich weiß, wohin ich mich wenden muss.“
„Sehr wohl, Euer Gnaden. Ich werde Ihnen die Informationen sofort besorgen.“
Sebastian nickte abwesend, erhob sich und verließ mit der Zeitung das Frühstückszimmer, um sich in die Bibliothek zu begeben.
Wie schon so oft wandten seine Gedanken sich Miss Clara Davencourt zu. Was mochte sie um diese Zeit tun? Und welche Pläne hegte sie für den weiteren Tag?
Nun, er würde nicht zum Collett Square reiten, um das herauszufinden. Nach dem Fiasko auf Lady Cardaces Ball war es am besten, sich vorerst von der jungen Dame fernzuhalten.
Rückblickend fragte er sich fassungslos, was in ihn gefahren war. Ehe er sich auf den Weg zu Cardace House gemacht hatte, war er schließlich, ganz wie die Vernunft es erforderte, fest entschlossen gewesen, Clara aus dem Weg zu gehen. Leider hatte er diesen Entschluss vergessen, sobald er sie sah. Das war absolut unverständlich. Er musste betrunken gewesen sein. Oder verhext. Wahrscheinlich sogar beides: betrunken und verhext. Auf jeden Fall durfte so etwas sich nicht wiederholen.
Sebastian unterdrückte einen Fluch. Egal, was er zu seiner Entschuldigung vorbrachte, es ließ sich nicht abstreiten, dass er sich wie ein Schurke benommen hatte. Vielleicht sollte er Miss Davencourt einen großen Blumenstrauß schicken.
Doch vermutlich würde sie die Blüten abschneiden und ihm die kahlen Stiele zurücksenden. Die Vorstellung entlockte ihm ein Lächeln.
Unwillkürlich blickte er zu beiden Porträts, die rechts und links des Eingangs zur Bibliothek hingen. Sie stellten seine verstorbenen Eltern dar, den Duke und die Duchess of Fleet. Im Allgemeinen schenkte Sebastian den Bildern kaum Beachtung.
Sie gehörten einfach zur Einrichtung, so wie Teppiche, Stühle, Tische oder Schränke.
Heute allerdings betrachtete er die kunstvoll gemalten Gesichter eingehend. Die Züge seines Vaters wirkten edel und streng. Um seine Stellung zu betonen, trug der Duke auf dem Gemälde einen purpurfarbenen, mit Hermelin besetzten Mantel. Das Gesicht seiner Mutter, auf deren Kopf das herzogliche Krönchen saß, sah sanfter aus.
Ja, er erinnerte sich, wie sehr ihre Liebe und Weisheit seine Kindheit mit Wärme erfüllt hatten.
An den Fingern der Duchess glänzten zwei Ringe, der ein wenig protzige, mit einem Rubin verzierte Verlobungsring und der einfache goldene Ehering. Sebastian hatte beide Schmuckstücke zusammen
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