Weil Ich Euch Liebte
das ohnehin nicht üppig war und jetzt wahrscheinlich noch kärglicher, weil die Stadt mit Überstunden knauserte. Ann hatte ihre Stelle im Vertrieb einer Zeitung in New Haven schon vor beinahe anderthalb Jahren verloren. Sie hatte zwar etwas anderes gefunden, um etwas dazuzuverdienen, doch ich konnte mir vorstellen, dass auch bei ihnen das Geld knapp war.
Seit einem Jahr veranstaltete sie sogenannte »Taschenpartys«, bei denen Frauen Imitate von Designertaschen zu einem Bruchteil dessen kaufen konnten, was die echten kosteten. Erst kürzlich hatte ihr Sheila für so eine Party unser Haus zur Verfügung gestellt. Da war ganz schön was los gewesen, wie bei einem dieser Tupperware-Spektakel – oder zumindest wie ich mir diese Tupperware-Dinger vorstelle.
Zwanzig Frauen fielen bei uns ein. Sally aus der Firma kam und auch Doug Pinders Frau Betsy. Was mich besonders überraschte, war, dass sogar Sheilas Mutter Fiona mit ihrem Mann Marcus aufkreuzte. Fiona konnte sich eine echte Louis-Vuitton-Tasche leisten, wenn sie eine wollte. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie mit einer Fälschung herumlaufen würde. Doch Sheila, die sich Sorgen machte, Ann könne nicht genug verkaufen, hatte ihre Mutter gebeten, auch zu kommen. Schließlich war es Marcus, der Fiona dazu überreden konnte.
»Sheila zuliebe«, hatte er offenbar zu ihr gesagt. »Du musst ja nichts kaufen. Aber tu’s für deine Tochter, geh hin.«
Ich wollte ja nicht zynisch sein, aber ich fragte mich, wie sehr es Marcus tatsächlich darum ging, seiner Stieftochter einen Gefallen zu tun. Immerhin konnte man bei so einer Veranstaltung mit einem hohen Frauenaufkommen rechnen, und Marcus interessierte sich sehr für Frauen.
Er und Fiona waren als Erste da, und als die Damen eine nach der anderen zur Tür hereinspazierten, ließ er es sich nicht nehmen, jede einzeln zu begrüßen, sich vorzustellen und ein Glas Wein anzubieten. Außerdem kümmerte er sich darum, dass jede einen Sitzplatz hatte und in aller Bequemlichkeit ihrer Lust an Leder und gefälschten Marken frönen konnte. Sein Getue war Fiona sichtlich peinlich. Nach einiger Zeit zog sie ihn beiseite und sagte: »Mach dich nicht so zum Affen.«
Als Anns Verkaufsmaschinerie in Gang gekommen war und ich mich mit Marcus und ein paar Dosen Bier auf die hintere Veranda verzogen hatte, sagte er, fast als müsse er sich entschuldigen: »Keine Angst, ich bin noch immer rasend verliebt in deine Schwiegermutter. Aber ich mag Frauen eben.« Er lächelte. »Und ich glaube, sie mögen mich.«
»Ja«, bestätigte ich, »du bist ein Frauenschwarm.«
Ann machte an diesem Abend ein ganz gutes Geschäft. So um die zweitausend Dollar – selbst gefälschte Designertaschen konnten mehrere hundert Dollar kosten –, und Sheila durfte sich eine Tasche aussuchen, zum Dank, dass sie ihr Haus zur Verfügung gestellt hatte.
Reparaturen an ihrem Haus konnten die Slocums sich zwar nicht leisten, aber anscheinend brachten Taschen und ein Job bei der Polizei immer noch genug ein, dass Ann mit einem drei Jahre alten BMW herumkutschieren konnte und Darren einen glänzenden roten Dodge Ram Pick-up in der Einfahrt stehen hatte. Als wir ankamen, war nur der Pick-up da.
»Übernachtet noch jemand bei Emily?«, fragte ich.
»Nee«, antwortete Kelly, »nur ich.«
Ich hielt am Bordstein.
»Alles klar mit dir?«, fragte ich sie. Sie hatte sich inzwischen die Tränen abgewischt und war anscheinend wieder die Alte.
»Alles klar.«
»Ich bring dich zur Tür.«
»Dad, du musst nicht –«
»Na, komm.«
Wie ein verurteilter Sträfling schleppte Kelly sich selbst und ihren Rucksack zur Tür.
»Keine Angst«, sagte ich. »Ihr werdet viel Spaß haben, sobald du deinen Dad losgeworden bist.« Im Vorübergehen bemerkte ich das Schild »Zu verkaufen« in der Heckscheibe von Darren Slocums Pick-up. Eine Telefonnummer war auch angegeben.
Ich wollte gerade klingeln, da hörte ich einen Wagen in die Einfahrt biegen. Es war Ann in ihrem BMW. Beim Aussteigen ergriff sie eine Tüte von Walgreens, der Drugstore-Kette.
»Hallo!«, sagte sie mehr zu Kelly als zu mir. »Gerade hab ich ein bisschen was zum Knabbern für euch geholt.« Dann erst sah sie mich an. »Hi, Glen.« Nur zwei Worte, aber sie waren voller Anteilnahme.
»Ann.«
Die Haustür ging auf, und Emily stand vor uns, das blonde Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie musste uns vom Fenster aus gesehen haben. Sie kreischte los, als sie Kelly sah. Meine Tochter
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