Weil Ich Euch Liebte
neununddreißig, und sein zehnjähriger Sohn Brandon.
Und als wäre das nicht schon schlimm genug, war Brandon auch noch Schüler an Kellys Schule gewesen.
Der andere Sohn, Brandons sechzehnjähriger Bruder Corey, hatte überlebt. Er hatte hinten gesessen, angeschnallt, durch die Windschutzscheibe nach vorne geschaut und Sheilas auf der Autobahnabfahrt geparkten Subaru genau in der Sekunde gesehen, in der sein Vater »Mein Gott!« schrie und voll auf die Bremse trat, leider zu spät. Corey behauptete, er habe Sheila schlafend hinter dem Lenkrad sitzen sehen, und zwar direkt vor dem Aufprall.
Connor hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich anzuschnallen. Die Polizei fand ihn halb aus dem Wagen geschleudert, Oberkörper auf der Motorhaube. Als ich am Unfallort ankam, waren seine und Brandons Leiche bereits abtransportiert worden. Brandon war zwar angeschnallt gewesen, seinen schweren Verletzungen jedoch erlegen.
Er war in der sechsten Klasse gewesen, drei Jahrgänge über Kelly.
Ich hatte geahnt, dass sie es sehr schwer haben würde, wenn sie in die Schule zurückkehrte. Ich hatte in der Zwischenzeit mit dem Direktor gesprochen und erfahren, dass Brandon allgemein beliebt, ein brillanter Schüler, ein herausragender Fußballspieler gewesen war. Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass einige Schüler Kelly dafür büßen lassen könnten, dass ihre Mutter die Schuld am Tod eines der beliebtesten Jungen der Schule trug.
Schon an Kellys erstem Schultag hatte ich einen Anruf erhalten. Doch nicht, weil jemand etwas zu ihr gesagt hätte, sondern wegen etwas, das Kelly getan hatte. Eine ihrer Mitschülerinnen hatte sie gefragt, ob sie die Leiche ihrer Mutter gesehen hätte, bevor man sie aus dem Wagen holte, ob sie geköpft worden sei oder sonst was Cooles in der Art. Da war Kelly dem Mädchen so kräftig auf den Fuß getreten, dass es nach Hause geschickt werden musste.
»Vielleicht ist Kelly ja noch nicht so weit, dass sie wieder die Schule besuchen kann«, hatte der Direktor gesagt. Ich hatte Kelly zur Rede gestellt, mir sogar von ihr zeigen lassen, was sie getan hatte. Sie hatte sich vor das Mädchen hingestellt, ein Knie gehoben und ihr dann mit aller Wucht den Absatz in den Fuß gerammt. »Sie wollte es nicht anders«, hatte Kelly gesagt.
Sie versprach, so etwas nicht noch mal zu tun, und ging am nächsten Tag wieder zur Schule. Danach kamen mir keine Klagen mehr zu Ohren, weshalb ich annahm, dass alles in Ordnung war oder zumindest den Umständen entsprechend.
»Das müssen wir uns nicht gefallen lassen«, sagte ich zu ihr. »Am Montag stehe ich beim Direktor auf der Matte, und diese Biester, die das zu dir sagen, werden –«
»Kann ich einfach auf eine andere Schule gehen?«
Auf der ganzen Fahrt die Broad Street entlang, durch die Innenstadt und am Milford Green vorüber, hielt ich mit meinen Händen krampfhaft das Lenkrad fest. »Wir werden sehen. Ich werde mich am Montag drum kümmern, gut? Nach dem Wochenende?«
»Immer heißt es ›wir werden sehen‹. Du sagst, du tust was, und dann tust du’s nicht.«
»Wenn ich sage, ich tu’s, dann tu ich’s auch. Aber das heißt, dass du mit Kindern zusammen bist, die nicht bei dir in der Nähe wohnen.«
Sie sah mich nur an. Das »Was du nicht sagst« blieb unausgesprochen.
»Genau darum geht’s, hab schon kapiert. Und im Moment klingt das auch ganz gut, aber was ist in sechs Monaten, in einem Jahr? Am Ende kapselst du dich von deiner nächsten Umgebung komplett ab.«
»Ich hasse sie«, sagte Kelly leise.
»Wen? Ist es eine Sie, die dich ärgert?«
»Mom«, sagte sie. »Ich hasse Mom.«
Ich musste schlucken. Ich hatte mich sehr bemüht, meine eigenen Gefühle, meinen Zorn nicht nach außen dringen zu lassen. Dass Kelly sich genauso verraten fühlte wie ich, hätte mich nicht wundern dürfen. »Sag so was nicht. Das meinst du nicht wirklich.«
»O doch. Sie hat uns im Stich gelassen, und sie hatte diesen idiotischen Unfall, wegen dem mich jetzt alle hassen.«
Ich umklammerte das Lenkrad noch fester. Wäre es aus Holz gewesen, hätte ich es bestimmt zerbrochen. »Deine Mutter hat dich sehr geliebt.«
»Warum hat sie dann so was Bescheuertes gemacht und damit mein Leben zerstört?«
»Kelly, deine Mutter war nicht bescheuert.«
»Und sich zu betrinken und dann mitten auf der Straße zu parken, war das vielleicht nicht bescheuert?«, schnauzte sie.
Da tickte ich aus.
»Das reicht!« Ich hieb mit der geballten Faust aufs Lenkrad. »Verflucht noch mal,
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