Weil ich Layken liebe
braucht, in den sie heimlich verliebt ist. Nachdem ich mich auf eine Bank gesetzt habe, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und überlege, ob ich Kerris eine SMS schicken soll. Seit unserem Umzug habe ich mich erst ein einziges Mal bei ihr gemeldet, obwohl sie in Texas diejenige war, mit der ich am meisten unternommen habe. Allerdings gab es da noch ein anderes Mädchen aus unserem Jahrgang, mit dem sie enger befreundet war als mit mir. Irgendwie schon komisch, dass ich es bei ihr nicht zur besten Freundin geschafft habe. Ich habe mir immer eingeredet, dass es daran lag, dass ich nicht so vielZeit für sie hatte, aber vielleicht hatte es ja einen anderen Grund. Vielleicht bin ich einfach keine gute Zuhörerin. Niemand, mit dem man seine Geheimnisse teilen möchte.
»Was dagegen, wenn ich dir Gesellschaft leiste?«
Als ich aufschaue, lässt sich Eddie auf die Bank mir gegenüber fallen.
»Im Gegenteil. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid«, sage ich.
»Leid? Was plagt dich denn für ein Leid?«, fragt sie. »Du hast morgen Abend etwas Schönes vor und du hast mich zur Freundin. Besser geht’s ja wohl nicht.« Sie grinst.
Freundin? Ja, vielleicht. Hoffentlich.
»Glaubst du, dass Will nach uns sucht?«, frage ich.
Sie sieht mich erstaunt an. »Will? Du meinst Mr Cooper?«
Oh Gott, habe ich ihn gerade wirklich Will genannt? Dabei denkt sich Eddie wahrscheinlich sowieso schon längst ihren Teil. Ich lache nervös und rette mich mit einer Lüge aus der Affäre.
»Ja, genau. Mr Cooper. An meiner letzten Schule haben wir die Lehrer immer mit Vornamen angesprochen, das gewöhnt man sich nicht so schnell ab.«
Eddie kratzt mit dem Zeigefinger abgeplatzte Farbe von der Bank. Heute sind neun ihrer Fingernägel grün lackiert, nur der ihres rechten Zeigefingers glänzt blau. »Darf ich dir was sagen?«, fragt sie mit ruhiger Stimme und redet dann weiter, ohne meine Antwort abzuwarten. »Vielleicht liege ich mit dem, was ich denke, total daneben, aber ich würde es gerne loswerden, ohne dass du mich unterbrichst, okay?«
Ich nicke stumm.
»Ich hatte das Gefühl, dass das, was gestern in der Mittagspause zwischen euch gelaufen ist, mehr war als eine kleine Abmahnung, weil du im Unterricht grenzwertige Kraftausdrücke gebrüllt hast. Ich weiß nicht, was los war, und es geht mich auch gar nichts an, aber ich möchte, dass du weißt, dass du jederzeit mit mir reden kannst. Falls du das willst, meine ich. Ich verspreche dir, dass ich niemandem gegenüber ein Wort darüber verlieren werde. Wobei es da auch niemanden gibt, außer Gavin.«
»Niemanden? Keine Freundinnen-Clique? Keine Geschwister?«, hake ich nach, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
»Nein. Niemanden. Gavin ist der einzige Mensch, den ich habe«, antwortet sie. »Na ja. Abgesehen von meinen siebzehn Schwestern, zwölf Brüdern, sechs Müttern und sieben Vätern.«
Ich lache vorsichtshalber nicht, für den Fall, dass das kein Witz sein sollte.
»Ich bin in Pflegefamilien aufgewachsen«, erklärt sie. »Insgesamt sieben innerhalb von neun Jahren.«
»Oh, das … tut mir leid«, stammle ich.
»Muss es nicht. Seit vier Jahren wohne ich bei meinem Pflegevater Joel. Mit dem klappt es bestens. Ich fühle mich wohl bei ihm und er bekommt pünktlich seinen Scheck vom Jugendamt.«
»Waren irgendwelche von deinen …«, ich rechne schnell nach, »neunundzwanzig Brüdern und Schwestern richtige Geschwister von dir?«
Sie lacht. »Hey, du passt gut auf. Ich bin beeindruckt. Undnein, ich bin Einzelkind. Tochter einer Mutter mit einem Hang zu Crack und Kinderhandel.«
Anscheinend sieht sie mir an, dass ich ihr nicht ganz folgen kann.
»Sie hat mich zum Verkauf angeboten«, sagt sie trocken. »Keine Angst. Es hat sich niemand gefunden, der mich haben wollte. Vielleicht hat sie auch zu viel verlangt. Als ich neun war, hat sie mich auf einem Walmart-Parkplatz für hundert Dollar einer Frau angeboten. Das war nicht das erste Mal, dass sie versucht hat, mich loszuwerden, während ich danebenstand, aber an dem Tag hatte ich echt die Schnauze voll. Ich hab die Frau angeschaut und gesagt: ›Sie sind doch bestimmt verheiratet, oder? Ich wette, Ihr Mann ist ein richtig scharfer Typ.‹ Meine Mutter hat mir eine geknallt, weil ich ihr den Deal versaut hab, und mich auf dem Parkplatz stehen lassen. Die Frau hat mich dann zum nächsten Polizeirevier gefahren und dort abgesetzt. Tja, das war das letzte Mal, dass ich meine Mom gesehen hab.«
»Gott.
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