Weil ich Layken liebe
dieser Junge ist verdammt wichtig.« Er packt einen Stuhl, dreht ihn um und setzt sich uns gegenüber.
»Sorry, Mr Cooper, aber ich glaube, ich verstehe nicht, was Sie uns damit sagen wollen«, sagt Eddie vorsichtig.
Will holt tief Luft, beugt sich vor, greift nach dem Foto und betrachtet es einen Moment lang. Dann legt er es wieder hin und verschränkt die Arme vor der Brust. »Das ist mein kleiner Bruder. Er war dabei …«, sagt er schließlich leise. »Als es passiert ist, war er mit im Auto. Er hat sie sterben sehen.«
Ich halte die Luft an. Eddie und ich schweigen, während wir darauf warten, dass er weiterredet. Obwohl das eigentlich nicht mehr nötig ist. Ich weiß ja längst, dass es um viel, viel mehr geht als nur um ihn und mich.
»Die Ärzte haben gesagt, es wäre ein Wunder, dass er den Aufprall überlebt hat. Der Wagen war vollkommen zerstört, das Dach weggerissen. Der Mann, der als Erster an der Unfallstelle war, hat erzählt, Caulder hätte angeschnallt auf der Rückbank gesessen, weinend nach meiner Mutter geschrien und sie angefleht, sich zu ihm umzudrehen. Er war ganz allein und musste zusehen, wie sie starb.«
Will räuspert sich. Unter der Tischplatte greift Eddie nach meiner Hand und drückt sie. Wir sagen beide kein Wort.
»Ich saß im Krankenhaus an seinem Bett, während er sich von seinen Verletzungen erholt hat. Tag und Nacht, rund um die Uhr. Ich war noch nicht einmal bei der Beerdigung meiner Eltern. Als unsere Großeltern ihn abholen kamen, hatCaulder schrecklich geweint. Er wollte nicht zu ihnen, sondern bei mir bleiben. Er hat mich angebettelt, ob ich ihn nicht mitnehmen könnte, aber … ich habe studiert und in einem winzigen Zimmer im Studentenheim gewohnt, ich hatte keinen Job, kein Geld, gar nichts. Verdammt, ich war erst neunzehn! Ich hatte doch keine Ahnung, wie man ein Kind aufzieht! Also habe ich zugelassen, dass sie ihn mitnehmen.«
Will steht auf und geht wieder zum Fenster. Lange Zeit sagt er nichts, während er auf den Parkplatz starrt, der sich langsam leert. Er streicht sich kurz über die Wange, als würde er eine Träne wegwischen. Wenn Eddie jetzt nicht hier wäre, würde ich zu ihm gehen und ihn umarmen.
Schließlich dreht er sich wieder zu uns um. »Caulder hat mich gehasst. Er war so enttäuscht von mir, dass er sich tagelang geweigert hat, mit mir zu telefonieren. Und dann … während eines Footballspiels, habe ich mich plötzlich gefragt, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich weiß noch genau, wie ich den Ball in den Händen gedreht habe, wie meine Finger über die Nähte glitten und wie mir klar geworden ist, dass mir dieses lächerliche Ei aus Leder wichtiger gewesen ist als mein eigener Bruder. Ich hatte mich selbst, meine Freundin, mein Studium – ich hatte alles über diesen kleinen Jungen gestellt, den ich mehr liebte als irgendetwas sonst auf der Welt.
Und dann hab ich den Ball einfach fallen gelassen und bin vom Spielfeld gegangen. Es war zwei Uhr nachts, als ich bei unseren Großeltern ankam und Caulder direkt aus dem Bett holte. Ich habe ihn noch in derselben Nacht zu uns nachHause gebracht. Meine Großeltern haben auf mich eingeredet und mich davon abzuhalten versucht. Sie hatten Angst, dass ich es nicht schaffen würde und ihm nicht das geben könnte, was er braucht. Aber ich wusste, dass sie sich irrten. Ich wusste, das Einzige, was Caulder wirklich brauchte, war ich. Sein großer Bruder.«
Langsam kommt er wieder auf uns zu, stemmt beide Hände auf die Tischplatte und beugt sich vor. Er sieht sicher die Tränen, die in unseren Augen schimmern.
»Seit zwei Jahren versuche ich mich selbst Tag für Tag aufs Neue davon zu überzeugen, dass ich damals die richtige Entscheidung getroffen habe. Dass ich für ihn sorgen kann. Und deswegen nehme ich meinen Job und die Tatsache, dass ich Geld verdienen muss, um diesem kleinen Jungen ein halbwegs gesichertes Leben zu bieten, verdammt ernst. Es ist eine große Sache, versteht ihr? Für mich ist es eine verdammt große Sache.«
Er dreht sich um, geht nach vorn, nimmt seine Tasche vom Pult und verlässt den Raum.
Wir sitzen einen Moment lang wie betäubt da, dann bückt Eddie sich und zieht eine Packung Taschentücher aus ihrem Rucksack. »Gott, Layken, wie machst du das nur?«, fragt sie, während sie sich die Nase putzt und gleich noch ein Taschentuch aus der Packung zieht.
»Wie mache ich was?«, schniefe ich und wische mir mit dem Handrücken über die Augen.
»Wie schaffst du
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