Weil sie sich liebten (German Edition)
strenges Regiment. Ständig gibt es irgendwelche Initiativen. Eine
Initiative hier, eine Initiative da. Ich glaube schon, dass die jungen Leute
weniger trinken, aber nur weil es jetzt so schwer ist, an Alkohol ranzukommen.
Sonntags kommen jedenfalls immer viel mehr zum Frühstück als früher, falls das
was besagt.
J. Dot
J a, manchmal denke ich an Rob und Silas.
Ich frage mich, warum sie an dem Abend da waren. Ich weiß noch, dass ich
dachte: Was hat Silas denn hier zu suchen? Weil, er
hatte doch Noelle. Aber das habe ich offensichtlich nur so nebenbei gedacht,
denn ich hätte mir selbst eigentlich die gleiche Frage stellen müssen. Was habe ich hier zu suchen ? Tja, was kann ich sagen – es
war eben reiner Sex. Keiner ist bereit, es zu sagen, aber dieses Mädchen, die
war total scharf drauf. Es war ein Riesenkick. Ein Kick und ein Kitzel. Und wir
waren stockbetrunken alle miteinander. Es war einfach irre. Total abgefahren.
Was soll ich sonst noch groß sagen?
Warum Silas da war? Der war den ganzen Tag schon schlecht drauf,
richtig gefährlich. Da war irgendwas passiert, zu Hause oder mit einem Lehrer.
Ich habe nie erfahren, was es war. Ich sehe ihn noch, wie er mitten im Spiel
den Ball auf die Tribüne geschleudert hat, mit voller Wucht. Er hat eine Frau
im Gesicht getroffen, und alle waren total schockiert. Der Schiedsrichter hat
ihn aus dem Spiel genommen. Sie haben wahrscheinlich von der Geschichte gehört.
Die Presse hat ja darüber berichtet, als ob das eine die Ursache des anderen
gewesen wäre. Silas ist abgehauen, gesagt hat er kein Wort. Später haben wir
ihn dann in seinem Auto gefunden, da war er schon hackedicht, das hat man
gemerkt. Es musste also irgendwas passiert sein. Um Noelle ging es nicht, die
war genauso fassungslos wie alle anderen.
Ja, klar, wir hätten mit ihm reden sollen. Wir hätten vieles tun
sollen. Aber mit siebzehn denkt man nicht groß nach. Man lässt einfach ein paar
Stunden die Sau raus.
Stimmt, ja, ich war neunzehn. Na und?
Sie hat sich gleich an uns rangeschmissen. Sie hatte das von Anfang
an vor.
Was ich von Alkoholkonsum bei Schülern halte? Ist das Ihr Ernst?
Mit achtzehn ist man erwachsen. Tut mir leid, aber so ist es nun
mal. Wenn man eingezogen und in den Krieg geschickt werden kann, um Menschen zu
töten, sollte man doch wohl ein gottverdammtes Glas Bier trinken dürfen. Oder
auch sechs Gläser, wenn einem danach ist.
Ja, schon klar, die Kleine hätte nicht trinken sollen. Ich weiß
nicht, woher sie das Zeug hatte.
Ob ich glaube, dass die Kids in Avery jetzt auch noch trinken, nach
allem, was passiert ist? Wollen Sie mich verarschen? Hey, wir waren doch alle
schon bei AA .
Nur’n Scherz.
Avery Academy.
Matthew
D iese ganze Shakespeare-Scheiße. Matthew brauchte nur daran zu
denken, um einen Wutanfall zu bekommen. »Anmaßung«. »Stolz von Avery«. »Blüte
der Jugend«. »Der glückliche Sohn auf der Schwelle, das hohe Erbe anzutreten«.
Wo hatten sie diesen Mist nur her?
Von Anmaßung konnte keine Rede sein, Herrgott noch mal. Es war
Stolz. Ein Gefühl der Unverwundbarkeit. Wer wünschte sich das nicht für seinen
Sohn? Ja, allerdings kam James aus einem privilegierten, gebildeten Elternhaus.
Matthew und Michelle, beide an einer Universität tätig, hatten das
Familienleben mit viel Bedacht gestaltet. Sie hatten zum Beispiel nie den
Fernsehapparat eingeschaltet. James war als Junge eine richtige Leseratte
gewesen. Seine Mutter würde vielleicht etwas anderes sagen, dass sie ihn zum
Lesen antreiben musste, aber hatte man ihm einmal ein Buch in die Hand
gedrückt, konnte man es ihm nicht wieder entreißen. Mit den Hausaufgaben hatte
es Schwierigkeiten gegeben, Michelle hatte da wirklich eine Engelsgeduld
bewiesen. James hatte Ordnungsprobleme, und Matthew bedauerte es jetzt, dass er
ihn nicht hatte untersuchen und eine Diagnostik erstellen lassen. Es war
möglich, dass James seit seiner Kindheit an einer leichten Lernstörung litt.
James verdankte seiner Mutter sehr viel, aber Matthew sah deutlich,
dass er auch dringend von ihr wegwollte.
Sie behaupteten, James wäre der Anstifter gewesen. Die Presse stellte
ihn nur deshalb in diesem Licht dar, weil er der Älteste war. Aber nach allem,
was Matthew gehört hatte, war es ganz anders gewesen. Matthew hatte sich das
Band nicht angesehen. Er wollte nicht. Das war eine private Geschichte, und sie
hätte privat bleiben sollen.
Diese Jungen genossen einfach ihr Leben. Und diese Lebenslust
verbunden mit
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