Weil sie sich liebten (German Edition)
Silas.
»Silas, schau mich an.«
Er dreht sich herum. Er braucht nichts zu sagen. Sein Gesicht sagt
alles.
»Habe ich etwas getan?«, frage ich, am ganzen Körper zitternd.
»Nein«, entgegnet er. »Ich habe etwas getan.«
»Was denn?«
Was kann er getan haben, dass es deshalb aus sein muss? Die kleine
Blonde fällt mir ein, mit der er getanzt hat.
»Hast du eine andere kennengelernt?«
Er schlägt sich mit den Fäusten auf die Oberschenkel. Immer wieder.
Ich will ihm die Arme festhalten, damit er sich nicht wehtut, aber er zuckt vor
meiner Berührung zurück.
Er knirscht mit den Zähnen. Sein Gesicht ist wie versteinert. Er
öffnet den Mund, um etwas zu sagen, macht ihn aber gleich wieder zu.
»Niemals wirst du …«, beginnt er.
»Was werde ich niemals?«, frage ich. Ich bin nur noch ein
schlotterndes Bündel Angst.
Er wischt mit den Händen über sein Gesicht. Dann wendet er sich ab
und springt in Riesensätzen die Treppe hinauf. Bevor ich auch nur seinen Namen
rufen kann, ist er zur Tür hinaus.
Gary
A m Mittwoch, dem fünfundzwanzigsten
Januar, fuhr ich abends noch einmal zu den Quinneys hinaus, um mit Owen und
Anna Quinney darüber zu beraten, wo ihr Sohn sein könnte. Ich machte ihnen
deutlich, dass ich dringend mit Silas sprechen musste.
Mrs. Quinney war äußerst verwirrt und völlig außer sich, aber sie
überlegte angestrengt, wo Silas sein könnte. Der Junge ging nicht an sein
Handy. Sein Auto stand nicht auf dem Hof.
Owen Quinney stieg zu mir in den Streifenwagen, und nachdem wir
einmal die Runde durch den Ort gemacht hatten, fuhren wir in den Hof der Avery
Academy. Auf einem Schulparkplatz in der Nähe der Sporthalle wurde Silas’ Wagen
schließlich gefunden. Zu dem Zeitpunkt hatte es leicht zu schneien angefangen.
Es schneite schon seit Tagen immer wieder einmal. Owen hatte keinen
Wagenschlüssel, aber ich konnte das Auto öffnen. Im Inneren fanden wir verschiedene
Kleidungsstücke, darunter eine Turnhose und ein Trainingstrikot. Außerdem
fanden wir Silas’ Handy.
Mr. Quinney
meinte, wir sollten uns an Silas’ Freundin Noelle wenden, sie stand dem Jungen
seiner Meinung nach am nächsten. Sie wisse vielleicht, wo er zu finden sei.
Owen Quinney wartete im Streifenwagen, während ich in der Foster Hall, Noelles
Wohnheim, nach der jungen Frau fragte. Man wies mir den Weg zu ihrem Zimmer, wo
ich sie in großer Verzweiflung vorfand. Bei ihr war eine Freundin, die sich
bemühte, sie zu beruhigen. Sie sagte, sie habe Silas das letzte Mal an diesem
Morgen gegen acht Uhr gesehen, er habe die Sporthalle durch die Seitentür beim
Parkplatz verlassen. Er habe Sportkleidung getragen, sagte sie. Als ich fragte,
warum sie so außer sich sei, erklärte ihre Freundin, Silas habe am Morgen mit
Noelle Schluss gemacht. Ich bat Noelle, mir Bescheid zu geben, sobald sie
wieder etwas von Silas hörte.
Ich kehrte zum Wagen zurück und berichtete Mr. Quinney, was ich erfahren hatte. Er
überlegte, wo sein Sohn sich sonst noch aufhalten könnte. Mithilfe der in
seinem Handy eingespeicherten Nummern riefen wir mehrere seiner Freunde im Team
an. Einer von ihnen gab uns die gleiche Antwort wie Noelle: Silas sei früh am
Morgen in der Sporthalle gewesen. Danach schien ihn niemand mehr gesehen zu
haben.
Mr. Quinney und
ich fuhren zurück zum Hof. Obwohl Anna Quinney wusste, dass Silas die Festnahme
drohte, wenn er gefunden wurde, schien ihr so viel wie uns daran zu liegen, ihn
zu finden. Der Schneefall wurde dichter, und wir wussten, dass die Temperatur
in der Nacht unter null fallen würde. Mrs. Quinney
hatte Sorge, dass Silas ohne Auto versuchen würde, zu Fuß nach Hause zu kommen.
Als ich mich schließlich von den Quinneys verabschiedete, versprachen sie mir,
sich unverzüglich zu melden, wenn sie von ihrem Sohn hörten.
Ich machte noch einmal eine Runde durch den Ort, fragte im
Lebensmittelgeschäft und bei Qwik Stop nach, ob man Silas am Nachmittag
irgendwo in der Nähe gesehen habe. Dann fuhr ich zur Avery Academy und wies den
Wachmann an, das Gelände gründlich nach dem Jungen abzusuchen. Danach kehrte
ich zur Dienststelle zurück, wo Robert Leicht und James Robles in der
Arrestzelle festgehalten wurden.
Um zwanzig Uhr dreißig stellte Mrs. Ellen
Leicht Kaution, und ihr Sohn wurde in ihre Obhut entlassen. Um einundzwanzig
Uhr zehn erschien Matthew Robles auf der Dienststelle und stellte Kaution für
seinen Sohn. James Robles wurde bis zur weiteren Prüfung des Falles in seine
Obhut entlassen.
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