Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
ein SMS bekommen habe, fahre trotzdem weiter bis zum Ortsanfang von Treberndorf. Niemand scheint mich verfolgt zu haben. Dann sehe ich nach. Das SMS ist von Vesna. „Bin in Auto, haben mich verfolgt, habe abgehängt, mach Tor auf bitte.“
Ich parke wie immer auf der Straße, öffne das Tor von innen. Es dauert keine drei Minuten und Vesna ist da, sie fährt in den Hof, parkt ihren Wagen unter den Büschen beim Schuppen. „Jetzt kann ich wieder da helfen, ist mir viel lieber“, sagt sie.
Was haben die beiden gemeint? Ging es um die Betrügereien oder um mehr?
Vesna ist keine, die üblicherweise viel Alkohol trinkt. Aber jetzt kippt sie den doppelten Trebernschnaps, den ich ihr eingeschenkt habe, in einem Zug.
[ O KTOBER ]
Das Wetter soll umschlagen. Seit drei Tagen wird mit allen Kräften gelesen, der leichte Veltliner muss in den Tank, wie jedes Jahr wollen die Bertholds auch einen Veltliner keltern, der weniger als zwölf Prozent Alkohol hat, einen Sommerwein. Gleichzeitig bangt man um den Riesling, die Trauben sind prall und voll, Frankenfeld hat gestern am Refraktometer schon neunzehn Zuckergrade gemessen. Wenn es jetzt regnet, können die Trauben platzen, faulen. Auch die leichteren Rotweine gehören ins Fass.
Vesna und ich sind uns einig: Es ist sinnlos, Zuckerbrot von unserer nächtlichen Begegnung am Waldrand zu erzählen, inhaltlich gibt es nichts Neues. Frankenfeld ist mir zwei Tage lang beständig ausgewichen, jetzt endlich habe ich ihn: Er steht in der Speisekammer, will Essiggurken holen. Die meisten der Leser sitzen an den Heurigentischen im Hof und essen, Miroslav ist den ganzen Tag damit beschäftigt, für sie zu kochen. Nach einem Lesetag gibt es etwas Warmes, so ist es Brauch. Frankenfeld setzt sich selten hin, er hat meist bis spät am Abend im Keller zu tun, aber diesmal dürfte ihn der Hunger überwältigt haben. Ich schließe die Tür der Speisekammer hinter uns, wenn er mich nicht umstößt, kann er an mir nicht vorbei. Umgeben von Regalen mit Marmeladegläsern, Mehlpackungen, eingelegten Pfefferoni, getrockneten Nudeln, Dosen und unter drei Seiten Speck, die von der Decke baumeln, habe ich ihn endlich gestellt: „Sie wollen also aussteigen – was heißt das?“
Er weiß sofort, wovon ich rede. „Ich bin ausgestiegen“, betont er, „sonst wäre ich nicht hier. Ich habe genug von der Familie, das habe ich Ihnen schon einmal gesagt.“
„Es war also doch etwas faul bei Kaiser.“
„Lassen Sie mich in Ruhe, ich habe zu tun, ich kümmere mich um den Wein des nächsten Jahres und nicht um die Vergangenheit.“
„Sie haben zu Kaiser gesagt, Sie wollen bei mir auspacken – warum haben Sie es sich anders überlegt? Hat er Sie unter Druck gesetzt? Ich bin da, packen Sie aus!“
Er seufzt. „Lassen Sie mich bitte vorbei, das ist lächerlich.“
„Sie machen mit ihm nach wie vor gemeinsame Sache. Ihr Anteil ist das Weingut Berthold. Aichinger wird es übernehmen, dann plötzlich wird es dem Weingut Kaiser gehören und dann Ihnen. War das der Plan?“
„Sie scheinen doch ohnehin alles zu wissen.“ Er drängt sich an mir vorbei, ich kann gerade noch eine Flasche mit Hollerblütensaft auffangen.
Ich gehe ins Büro, mir ist nicht nach Gesellschaft. Außerdem will ich wieder einmal nachsehen, ob sich die österreichische Geschäftsträgerin in Kap Verde gemeldet hat. Nichts. Ich probiere es am Telefon, rechne mit demselben Ergebnis, ich bin in den letzten Tagen nie weiter als bis zu einer portugiesischsprachigen Ansage gekommen, die mir mitgeteilt hat, dass die Nummer momentan nicht erreichbar sei.
Diesmal: Freizeichen. Ich warte gespannt. Jemand hebt ab, spricht portugiesisch. Ich verlange die österreichische Geschäftsträgerin, die Stimme wechselt ins Deutsche. Es tue ihr sehr Leid, aber die sei im Landesinneren unterwegs. Ob sie eine Telefonnummer von Birgit Zauner, der Geologin, habe?
„Ich sehe nach, einen Moment.“
Ich sitze auf Nadeln, ich habe vom Festnetz aus gewählt, keine Ahnung, was die Minute nach Kap Verde kostet.
Ich bekomme die Nummer, lege auf, wähle.
„Birgit Zauner.“
Es klingt, als säße sie im Nebenraum oder höchstens in Wien.
„Es tut mir sehr Leid, das mit Hans“, sagt sie. „Auch wenn wir schon länger nichts mehr miteinander zu tun hatten.“
„Hat er Sie … im Stich gelassen – wenn ich so sagen darf?“
Sie lacht leise. „Nein, mir hat es gereicht. Er war sehr attraktiv, aber … ich hatte keine Lust mehr, immer bloß zu warten,
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