Weine nicht, Prinzessin
kennenzulernen.«
»Er kommt aus Holland.«
»Macht ja nichts. Süß ist er trotzdem!«
Meike war nicht die Einzige, die Lara an diesem Tag bewundernd und auch ein wenig neidisch beobachtete. Selbst die älteren Jungen auf dem Schulhof, die sie früher nie beachtet hatten, warfen ihr heute interessierte Blicke zu.
Nach dem Unterricht stand das Auto wieder da.
Lara wollte eigentlich mit ihren Freundinnen ins Eiscafé gehen, aber da Henk sich schon die Mühe gemacht hatte, verabschiedete sie sich von Meike und den anderen und stieg in seinen Wagen.
»Ich ruf dich heute Nachmittag an!«, rief Meike ihr nach.
Lara winkte ihr zu, Henk gab Gas.
»’ne Freundin von dir?«, fragte er.
»Meine allerbeste Freundin Meike. Ich hab dir doch von ihr erzählt.«
»Trefft ihr euch oft?«
»Fast jeden Nachmittag. Wir sind schon zusammen im Kindergarten gewesen. Wir machen alles zusammen und erzählen uns alles. Wir haben keine Geheimnisse voreinander.«
»Ab jetzt schon! Oder willst du ihr wirklich erzählen, was in den Sommerferien passiert ist? Da gibt es so einiges, was sie besser nicht weiß.«
Lara wurde rot und dann wieder ganz blass.
»Lara, hörst du?! Kein Wort zu irgendjemand! Niemand würde es verstehen. Sie würden versuchen, uns zu trennen. Hörst du!«
»Keine Sorge«, sagte Lara leise. »Ich will ja auch nicht, dass Meike weiß, dass …« Sie schluckte. Ihr wurde ganz übel bei dem Gedanken, was ihre Freundin sagen würde, wenn sie die ganze Wahrheit über die letzten Wochen wüsste.
In einer Seitenstraße hielt Henk an. Er fuhr sie nie bis direkt vor die Haustür. »Je weniger Leute uns zusammen sehen, desto besser!« Er legte den Arm um sie und gab ihr einen Kuss. Dann überreichte er ihr ein neues Handy.
Sie schaute ihn verwundert an. »Ich habe doch schon eins.«
»Dies ist ein ganz besonderes. Niemand außer mir wird dich darauf anrufen. Es ist eine Verbindung nur zwischen uns. Du lässt es Tag und Nacht an.«
»In der Schule müssen die Handys ausgeschaltet sein. Sonst nehmen die Lehrer es weg.«
»Dann schalte es auf Vibration und wenn man es hört, gibst du eben das andere ab«, sagte Henk mit dieser Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Diese Stimme, die zu dem Henk gehörte, den sie zu fürchten gelernt hatte.
Lara nickte schnell. Je eher sie allem zustimmte, was er von ihr verlangte, desto schneller kam der andere Henk wieder zum Vorschein. Das war auch eine der Lektionen, die sie in den letzten Wochen gelernt hatte.
Von nun an holte Henk sie jeden Tag von der Schule ab. Laras Freundinnen, die anfangs noch neidisch und sehr verständnisvoll waren, verdrehten bald nur noch die Augen, wenn sie Henks Auto sahen.
»Muss Liebe schööön sein!«, sagte Meike – ihre Stimme war von Neid und Eifersucht getränkt. »Vielleicht hast du ja irgendwann mal wieder Zeit für uns.«
Wenn sich die Freundinnen für den Nachmittag verabredeten oder über gemeinsame Erlebnisse sprachen, saß Lara nun meist stumm daneben. Die Gemeinsamkeit mit ihnen beschränkte sich auf die Schulstunden.
Meike bemühte sich anfangs noch sehr um Lara, rief immer wieder an, ob die Freundin nicht doch Zeit hätte und es wäre doch so schön, wenn man wie früher stundenlang klönen könnte.
Aber Lara hatte nie Zeit, ihre Nachmittage gehörten Henk. Und das war auch gut so. Lara wollte es doch gar nicht anders. Worüber hätte sie mit Meike auch reden sollen? Das Leben, das Lara nachmittags führte, war inzwischen so weit von Meikes Welt entfernt, dass es keine Worte mehr gab, um eine Brücke zwischen ihnen zu bauen.
Und doch tat es weh, als Meike dann irgendwann aufgab, nicht mehr fragte, nicht mehr anrief und sich nachmittags mit Svenja traf.
Dafür kümmerte sich Henk umso intensiver um sie. Er achtete darauf, dass Lara pünktlich zur Schule kam und, sobald sie zu Hause war, ihre Hausaufgaben machte.
»Wir wollen doch nicht, dass deine Noten schlechter werden und deine Eltern dir Hausarrest geben, oder?«
Lara nickte, obwohl ihre Eltern ihr noch nie Hausarrest erteilt hatten. Wenn es Probleme gab, wurde ein Familienrat einberufen und gemeinsam nach Lösungen gesucht.
Das aber konnte Lara überhaupt nicht gebrauchen. Ihre Eltern würden mit Sicherheit misstrauisch werden, wenn sie auf einmal schlechte Noten nach Hause bringen würde, und nach einer Erklärung suchen. Sie wollte sie nicht anlügen. Solange es möglich war, wollte sie nicht lügen.
Und so nickte Lara und machte brav ihre Hausaufgaben.
Jeden
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