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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Maschine. Ich hatte das Gefühl, neben mir zu stehen, und alles, was mit mir geschah, geschah nicht mir. Mit aller Kraft preßte ich, und die Hebamme rief begeistert:
    »Weiter, weiter, ich sehe schon kleine Haare, dein Kind hat Haare!«
    Ich konnte nicht mehr und fiel kraftlos, todmüde in die Kissen zurück, ich wollte plötzlich nur schlafen. Der Arzt kniete sich auf mein Bett, die Schwester hob meinen Kopf, und ich drückte, ohne eine Wehe zu spüren. Dabei half der Arzt, indem er meinen Bauch ebenfalls nach unten schob. Ein kurzer, aber sehr stechender Schmerz, und ich fühlte zwischen den Beinen etwas Warmes.
    »Das Köpfchen ist draußen!« rief die Hebamme fröhlich. »Noch einmal kurz pressen, und es ist dal« Meine Augen ganz fest geschlossen, drückte ich und spürte es hinausschießen, wie eine qualvolle Last, von der ich mich befreite. Keine Schmerzen mehr! Unendlich erleichtert hielt ich meine Augen geschlossen. Da hörte ich ein leises Schreien und wie aus weiter Ferne die Stimme meiner Hebamme:
    »Es ist ein Junge und kerngesund!«
    Gegen meinen Willen öffnete ich die Augen, und mein Blick fiel als erstes auf die Uhr. Mein Sohn wurde um 17 Uhr 25 geboren, an einem Donnerstag, und es schneite draußen.
    Ein unendliches Glücksgefühl und große Dankbarkeit der Hebamme und dem Arzt gegenüber durchströmten mich. Mir schossen die Tränen in die Augen, und ich stammelte: »Danke.«
    Sie waren für kurze Zeit die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben gewesen. Für immer schloß ich sie in meine Erinnerung ein - als die ersten Erwachsenen, bei denen ich mich ehrlich, ohne Zwang, bedankte und auch Dank empfinden konnte.
    Ich ließ die Hebamme nicht mehr aus den Augen, zu sehr fürchtete ich, sie könnte mein Kind mit einem anderen verwechseln. Dann legte sie mir ein eingewickeltes Bündelchen in die Arme, Mein Kind! Blaue Augen blinzelten in das grelle Licht; den kleinen Mund weinerlich verzogen, fuchtelte es mit den winzige Händchen ungeschickt in der plötzlichen großen Freiheit herum. Vorsichtig streichelte ich die zarten Haare auf dem Köpfchen. Mein eigenes Kind, ich konnte es nicht fassen. Sein Mund öffnete sich, und ein leises Wimmern war zu hören.
    »Pst, ist ja gut, die Tante ist ja bei dir!«
    »Was heißt hier Tante, du bist die Mutter«, hörte ich die sanften Worte meiner Hebamme. Ich schämte mich, aber sie lachte:
    »Daran wirst du dich noch gewöhnen.«
    Das Wort »Mutter« hämmerte richtig in meinem Kopf, ich wollte keine Mutter sein. Mutter!
    Was ist eine Mutter, was macht sie? Ich wußte es nicht. Für mich war es der Inbegriff alles Schlechten, mich hatte sie verlassen. Warum nur? Hatte sie bei meiner Geburt auch solche Schmerzen? In diesem Moment dachte ich an sie.
    Niemals könnte ich mich von meinem Kind trennen. Liebevoll nahm mir die Hebamme mein Kind aus dem Arm und sagte zu ihrer Entschuldigung:
    »Es muß sein, du mußt noch genäht werden.«
    »Wo denn?«
    »Wir haben einen kleinen Schnitt machen müssen, damit der Kopf schneller durchgeht.«
    Das Bett wurde zur Hälfte abmontiert und zum Frauenstuhl umfunktioniert, eine riesige OP-Lampe über mein Bett gezogen, und der Doktor setzte sich genau vor meinen geschundenen Geburtsausgang. Die Hebamme stand daneben und reichte ihm eine Spritze, die er mir ohne Vorwarnung unten hineinstach. Im Vergleich zur Geburt sollte es nur ein kleiner Piks sein, tat mir aber trotzdem sehr weh. Ich konnte einfach keine Schmerzen mehr ertragen.
    Wie ein Schneider, Faden und Nadel in der Hand, saß er vor mir. Die Angst schnürte mir die Kehle zu, sonst hätte ich geschrien. Ich verfolgte jede seiner Bewegungen und fühlte nur ein Gezuckel an meinem betäubten Unterleib. Kein Schmerz, nichts! Und wie ich ihm so beim Nähen zusah, durchflutete mich plötzlich die Scham. Bei der Geburt war mir durch den Schmerz alles egal gewesen, jetzt fehlte mir dieser Schutz.
    Vom jungen Mädchen zur Frau geworden, lag ich völlig frei vor einem Mann, war ihm hilflos ausgeliefert und schämte mich schrecklich. Gott sei Dank war er ganz Arzt, denn er blickte nicht einmal in mein Gesicht, und im stillen dankte ich ihm zum zweiten Mal.
    Als sie endlich fertig waren, brachte mir die Hebamme ein sauberes Nachthemd und wusch mich von oben bis unten. Danach löschte sie das Licht und flüsterte;
    »Nun versuch ein wenig zu schlafen, in drei Stunden kannst du in dein Zimmer zurück.« Behutsam schloß sie die Tür, ich hörte nur noch das Ticken der Uhr. Die

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