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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Frauen schien es nicht zu stören, obwohl das Ding einen höllischen Krach machte. Am nächsten Morgen fragte Doktor Israel:
    »Möchtest du ein Einzelzimmer, dann können die Frauen ruhig schlafen.«
    Sofort protestierten alle dagegen:
    »Nein, nein, lassen Sie sie hier, es stört uns nicht.«
    Erstaunt schaute er sich um, dann ruhte sein Blick auf mir. Was für einen unglaublich ernsten und besorgten Ausdruck seine Augen hatten. Nie werde ich diesen Blick vergessen, solche Sorgen um mich hatte ich in noch keinen Augen gesehen. Tapfer lächelte ich ihn an und schüttelte den Kopf:
    »Bitte, lassen Sie mich hier, ich möchte nicht allein sein.«
    Es war vier Tage vor Weihnachten. Eine Frau nach der anderen wurde entlassen. Der Abschied von Frau Köhler fiel mir schwer, wir hatten uns so gut verstanden.
    Ab und zu zeigten mir ganz nette Schwestern meinen Sohn oder legten ihn mir mal für fünf Minuten zu meinen Füßen auf das Bett. Halten konnte ich ihn nicht, dazu war ich zu schwach. Jeden Morgen und jeden Abend, wenn Doktor Israel Dienst hatte, sah er nach mir.
    Heimlich stand ich auf und lief durch das Zimmer, dann zur Toilette und später den Flur entlang, ich wollte Weihnachten gesund sein, also strengte ich mich mit dem Laufen an. Auf dem Gang begegnete ich einem jüngeren Arzt, den ich nicht ausstehen konnte. Wenn er Visite machte, ließ er bei den Frauen sehr anzügliche Bemerkungen fallen und ergötzte sich an den verdutzten Gesichtern.
    »Schön, daß ich dich sehe, du kannst gleich zum Fädenziehen mitkommen.«
    Mit schlotternden Beinen folgte ich ihm in den Behandlungsraum, ich hatte Angst vor ihm.
    »Bitte, nehmen Sie kein Jod, ich bin dagegen allergisch«, sagte ich.
    Während er die Schwester anlachte, zog er die Fäden, dann nahm er eine Nierenschale, legte die Schere und die gezogenen Fäden hinein, tränkte einen Wattebausch mit einer Flüssigkeit, und dann schrie ich vor Schmerzen. Ich verbrannte unten. Wie aus einem Horrorfilm lächelte der Arzt und sagte:
    »Hab dich nicht so albern, hast ja schließlich schon ein Kind gekriegt.«
    So viel Menschenverachtung war mir noch nicht begegnet, es verschlug mir die Sprache, und ich hielt tatsächlich meinen Mund. Er drückte mir die Schale in die Hand und forderte mich auf, sie ins Schwesternzimmer zu bringen. Solche Ärzte müßte man verbieten, dachte ich.
    Mein Unterleib brannte wie ein feuerspeiender Vulkan. Breitbeinig, so breit es ging, kroch ich über den Flur an der Wand entlang. Die Schale zitterte in meiner Hand, der Schmerz nahm mir die Luft zum Atmen. Das Zimmer rückte immer weiter weg, der Flur verwandelte sich in einen Tunnel, der nicht enden wollte. Gerade noch rechtzeitig fing mich die Oberärztin auf. Als ich zu mir kam, hingen meine Beine, zur Seite gespreizt, aus dem Bett, Doktor Israel saß bei mir.
    »Es tut mir leid, aber das kommt nie mehr vor.«
    Ich lächelte gequält, riesige Blasen machten mir das Leben zur Hölle.
Wieder im Mütterheim
    Am 24, Dezember morgens brachte die Schwester mein Kind, und ich durfte es füttern. Glücklich hielt ich es in meinen Armen und beobachtete es beim Trinken. Die Flasche paßte besser zu ihm als meine Brust.
    Dank der Sitzbäder fühlte ich mich schon viel besser, auch meine Brust kam mit Hilfe der elektrischen Pumpe wieder in Ordnung, und mein Fieber sank.
    Fast fröhlich begrüßte ich Doktor Israel bei der Morgenvisite.
    »Hallo, ich bin gesund. Kann ich heute entlassen werden?«
    »Eigentlich nicht, aber da Weihnachten ist, mache ich eine große Ausnahme.«
    Am liebsten hätte ich ihn umarmt, so freute ich mich. Ich mußte ihm versprechen, gut auf mich aufzupassen und, wenn es mir wieder schlechter ginge, sofort ins Krankenhaus zu kommen. Beim Aufwiedersehensagen hielt er meine Hand einen Moment lang fest, sah mich mit seinen ernsten Augen an und sagte:
    »Paß auf dich auf, Mädel.«
    Noch nie hatte ich einen Menschen getroffen, der sich meiner so annahm. Mit seiner Hilfe bin ich wieder gesund geworden.
    Die Mädchen aus dem Müttererholungsheim begrüßten mich aufgeregt mit den Worten:
    »Da bist du ja endlich, wir dachten, du kommst gar nicht mehr.«
    Dann standen sie neugierig um mich herum und bestaunten mein Kind. Ich mußte lachen, vorher hatte ich die Zurückkommenden auch so erwartet. Nachdem alle mit der Besichtigung zufrieden waren, durfte ich mit meinem Sohn in das Säuglingszimmer gehen. Wie niedlich die Kleinen alle schliefen. Ich legte ihn in das freie Bettchen neben den

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