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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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höchsten Stufe Feuchtigkeit ausspie. Aber so ein Dampfbad war wenigstens
warm. Ein Temperaturmesser an einer Bankfiliale zeigte vier Grad an. Gerhards
verbogener Scheibenwischer ächzte und zuckte, neue Wischblätter wären kein
Luxus. Ein neues Auto wäre auch kein Luxus, aber Gerhard hielt seinem alten VW -Bus seit Jahren die Treue. Schmierte
Rostlöcher zu, schweißte Bodenbleche und Auspuff. Er wollte kein Auto mit
elektrischen Fensterhebern und keines, das mit affektiertem
Scheinwerfer-Aufleuchten quittiert, dass Herrchen auf »Unlock« getippt hatte.
Er wollte keine dieser Heizungen mit Digitalanzeige und erst recht keine dieser
Damen, die mit schnarrender Stimme vorgaben, wohin er zu fahren habe. Er hatte
sich umgesehen. Es gab keine echten Autos mehr, mit Lenkrad, vier Reifen bis
zum Boden und einem Motor, an dem man selber noch dengeln konnte. Es gab nur
noch die Spitzfindigkeiten einer Generation von Ingenieuren, die der
heimtückischen Elektronik-Göttin huldigten. Und wenn dann so ein 7er BMW am Straßenrand mal wieder seinem
perfekten Ausstattungspaket erlegen war, dann war Gerhard schadenfroh. Obwohl
er sonst nicht so war. Sein Handy klingelte.
    »Herr Weinzirl,
gleich auf die Dienststelle. Wir haben eine Leiche. Auspacken können Sie
später.«
    Gerhard lächelte,
auch gut, sogar besser.
    Als Gerhard die
Inspektion betrat, waren einige Leute versammelt. Ein kleiner Mann mit wachen
Augen kam auf ihn zu. Der Mann war höchstens eins siebzig groß, irgendwie hatte
sich Gerhard den neuen Kollegen, den ersten Kriminalhauptkommissar Peter Baier,
größer vorgestellt.
    »So – das Schwäble.
Der Herr Weinzirl aus dem Allgäu. Geier, Aasgeier, Allgeier – nix für ungut,
mehr wissen wir halt nicht vom Allgäu draußen. Willkommen, Herr Weinzirl! Na,
das ist ja wenigstens ein bayerischer Name, oder? Man hört, Sie haben einen
guten Ruf. Tote Baulöwen im Schnee, Funkenleichen, ein Rad-Psychopath, sind
informiert über Ihre Heldentaten. Ja, Herr Weinzirl, mehr der Höflichkeiten
später, wir haben zu Ihrer Begrüßung gleich mal ‘nen Toten im Eibenwald. Die
Streife, die alarmiert wurde, hat angerufen. Kommt denen komisch vor. Pack mers!«
    Er erhob sich,
Zeichen für den Rest der Runde, auch aufzustehen. Gesichter zogen an Gerhard
vorbei, Hände reckten sich ihm entgegen. »Grüß Gott, auf eine gute
Zusammenarbeit.« Gemurmel, durchaus wohlwollende Blicke. »Später kaff mer uns
moi a Hoibe.« Das war’s auch schon. Auf zur Tagesordnung.
    »Dann wollen wir
mal, Herr Kollege.«
    Gerhard nickte,
schluckte noch ein-, zweimal am Schwäble. Aber für lokalpatriotische
Empfindlichkeiten war jetzt keine Zeit. Die Oberbayern in die Feinheiten der
Grenzziehung nach Schwaben einzuweihen, dazu blieb noch genug Zeit.
Tagesordnung!
    »Eibenwald, sagten
Sie?«
    »Ja, der Eibenwald,
steht seit 1939 unter Naturschutz. Ein anderthalb Kilometer langer Weg, vorbei
an bis zu tausend Jahre alten Eiben, führt durch das Gebiet. Recht lehrreich
das Ganze, oder wussten Sie, dass es männliche Eiben mit gelben Blüten und
weibliche Eiben mit roten Früchten gibt? Ich bin da erst im Herbst mit meiner
Enkelin durch, die wusste mehr als ich – auch, dass Eiben giftig sind. Hat
unser Toter vielleicht zu viele Eiben erwischt?« Er lachte, was bei ihm wie ein
Knurren klang, gleichzeitig aber funkelten und tanzten seine Augen.
    Peter Baier fuhr
über die Ammer hinein nach Tankenrain. Er wies nach links. »Herrschaft Zeiten,
unser Sorgenkind! Eine Diskothek, wechselt ständig den Namen, der Ärger bleibt.
Die Türken verklopfen die Russlanddeutschen oder umgekehrt. Werden Sie noch
mitkriegen.« Am Ortsende zeigte er wieder nach links. »Hahnenbühl, auch was
Spezielles. Eigentlich Schwarzbauten, sehr spezielle Bewohner da im Schutz des
Waldes. Werden Sie noch mitkriegen.« Und dann ging der Zeigefinger nach rechts,
unbestimmt in den Wald hinein. »Da wohnen Sie übrigens.«
    Gerhard sah nach
rechts. Drei einsame Säulen mit Holzverschalung markierten so was wie eine Einfahrt.
Drei windschiefe Säulen, deren Bestimmung so nebulös war wie das nebelfeuchte
Wetter.
    »Soll mal ein Zaun
werden und ein Tor dazu. Irgendwann. Nette Leute, Ihre Vermieter«, sagte Baier.
    Der Zusammenhang von
Säulen und Vermietern entzog sich Gerhard. Aber das würde alles noch werden mit
dem Verständnis. Baier fuhr schnell und sicher durch eine lang gezogene Kurve.
    »Haben sie unlängst
entschärft, Herrschaft Zeiten, die Deppen derrennen sich trotzdem.«

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