Weiß wie der Tod
auf die Schulter. »Steh auf, Levy.«
»Da muss aber was sein.«
»Komm hoch, bitte.«
Er folgte zögernd. Katie nahm ihn in den Arm. »Du brauchst Hilfe.«
Levy stieß sie zurück. Er erschrak vor seiner Reaktion. »Tut mir leid, Katie. Ich weiß, dass du es gut mit mir meinst. Aber irgendwas läuft hier.«
Katie gab es auf. Sie hatte die Auswirkungen des Alkohols zur Genüge am eigenen Körper zu spüren bekommen. Jedes Mal fiel sie auf diese Typen herein. Mit gesenktem Kopf verließ sie die Kabine. »Ich muss wieder runter.«
Levy ging ihr nach. »Katie, warte.«
Doch sie winkte ab und stöckelte die Stufen hinunter. »Du weißt, wo du mich findest.«
Er blickte ihr nach. Verdammt, er war zu weit gegangen.
Zurück in der Wohnung, startete er den Computer. Während der Rechner hochfuhr, stellte er sich unter die Dusche. Kalt musste es sein. Er spürte Hitze und Energie in sich hochkochen. Ein seltsam angenehmes Gefühl bemächtigte sich seines Körpers und seines Geistes.
22
Auf dem Fenster klebte lediglich eine weiße Lilie. Dahinter sah man zwei verwaiste Stühle um einen runden Glastisch. Mehr nicht.
Luansi Benguela suchte nach dem Klingelschild. Wenigstens hier fand sich die Unterzeile Selbsthilfeorganisation für Kriminalitätsopfer e. V. Er läutete. Ein Surren gab die Tür frei. Eine Frau empfing ihn am runden Tisch. Sie mochte Anfang fünfzig sein und war um eine freundliche Ansprache bemüht. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
An der Wand hingen gerahmte Poster mit der Aufschrift Niemand ist je vergessen und Niemand bleibt für immer verschwunden.
Er zeigte seinen Ausweis. »Benguela, Kripo Hamburg. Ich möchte mit dem Geschäftsführer des Vereins sprechen.«
Entgegen der üblichen Reaktion überprüfte die Frau Name und Bild eingehend, bevor sie sich vorstellte. »Mein Name ist Greta Harmstorf. Ich bin die Geschäftsführerin. Was kann ich für Sie tun?«
Luansi wählte die sanfte Eröffnung für seinen Besuch, auf das eigentliche Thema würde er im Laufe des Gesprächs eingehen. Er zeigte ihr eines der Faxe, die am Morgen von der Polizeiwache zu den vermissten Personen hereingekommen waren. »Darüber würde ich gern mit Ihnen sprechen.«
Greta Harmstorf zeigte sich überrascht. »Endlich werden unsere Hilferufe zur Kenntnis genommen. Es hat gedauert, aber immerhin. Kommen Sie, setzen Sie sich.«
Sie wies ihm einen Stuhl zu und schenkte aus der bereitstehenden Karaffe Wasser ein. »Haben Sie jemanden finden können?« Ihre Stimme klang erwartungsfroh, mit einem Teil Besorgnis.
»Bisher leider nicht«, antwortete Benguela. »Die Überprüfung mit unseren Datenbanken läuft noch.«
Ihre Haltung wechselte. »Darin werden Sie auch nichts anderes finden. Was wird Ihre Vermisstendatei schon anderes ausspucken als das, was wir ohnehin schon wissen? Ich habe eigentlich erwartet, dass die Polizei aktiv wird und die vermissten Personen wieder ins Zentrum ihrer Ermittlungen stellt.«
»Das tut sie. Jede nicht identifizierte Person wird mit der Vermisstendatei abgeglichen.«
»Das reicht aber nicht. Wir fordern, dass die Polizei den Verbleib dieser Personen ermittelt. Das ist das Recht jedes Bürgers und seiner Angehörigen. Wir zahlen schließlich Steuern, und nicht zu knapp, für eine Leistung, die nicht erbracht wird.«
Benguela ging nicht weiter darauf ein. Eine Grundsatzdiskussion konnte sie mit ihrem politischen Vertreter führen, dabei sollte sie auch die bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Polizei ansprechen. »Ich würde gern von Ihnen wissen, wieso Sie gerade diese Personen ins Zentrum Ihrer Fax-Aktion gestellt haben.« Er zeigte ihr noch zwei weitere Faxe, die er mitgebracht hatte. »Die Vermisstendatei ist umfangreich. Wieso also gerade diese?«
Die Frau seufzte, als müsste sie die ewig gleiche Frage erneut beantworten. »Hinter jedem dieser Vermissten steht eine Familie, ein Freund oder Kollege, der sich nicht damit zufrieden gibt, dass die Ermittlungen der Polizei eingestellt wurden. Diese Menschen haben eine lange Zeit des Leidens und der Verzweiflung hinter sich. Sie sind nicht länger gewillt zu warten, bis sich die Polizei bei ihnen meldet. Sie wollen Klarheit. Jetzt. Die Weiße Lilie tritt für ihre Interessen ein. Wir leisten aktive Hilfe bei der Vermisstensuche.«
»Indem Sie Faxe an Polizeiwachen verschicken?«
»Auch das. Aber unsere Aktionen reichen weiter. Wir haben unter anderem ein Informationsnetz aufgebaut, das die Vermissten nicht vergessen macht.
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