Weiß wie der Tod
Medien zu Wort. Vergebens, wie sich zeigte. Mandrak durfte tagsüber die Anstalt verlassen, um einer Tätigkeit in einer Schreinerei nachzugehen.
Ziel seiner Attacken waren junge Frauen zwischen siebzehn und einundzwanzig Jahren gewesen. Er hatte ihnen in einem Park aufgelauert, sie in eine vorbereitete Kiste eines Lieferwagens gezwängt und sie in seine Wohnung verschleppt. Über eine versteckte Bodentür in der angrenzenden Werkstatt gelangte man in einen Raum, der früher als Lager benutzt wurde. Dort konnte Mandrak nach Belieben und ungestört seine perfiden Phantasien ausleben.
Strafmildernd wurde ihm angerechnet, dass er den Frauen zwar mit dem Tod gedroht hatte, wenn sie ihn anzeigen würden, es letztlich aber doch nicht in die Tat umgesetzt hatte. Im Vergleich zu anderen Straftätern dieser Kategorie war das tatsächlich die Ausnahme. Er wollte nur seinen Spaß, wie er versicherte, und früher oder später hätten die Frauen es ja auch gewollt.
Als er ihrer überdrüssig wurde, schaffte er sie auf dem gleichen Weg nach draußen und entließ sie gefesselt auf einem Parkplatz nahe der A7.
Warum sich Mandrak schließlich von seinem favorisierten Opfertyp, Frauen um die zwanzig Jahre, abwendete und sich Mädchen suchte, blieb bis zum Schluss sein Geheimnis. In der Therapie hatte er sich nur einmal kurz dazu geäußert. Er habe sich weiterentwickelt, sagte er, auf der Suche nach Unschuld. Später widerrief er dies und schwor glaubhaft der Anwendung von Gewalt ab. Er sei durch die Gespräche mit den Psychologen einsichtig geworden und bereue seine Taten zutiefst. Er wünschte, er könnte alles ungeschehen machen und das Leid, das er über die Opfer und Familien gebracht habe, tilgen.
Das war ein interessanter Kurswechsel, sagte sich Levy. Wieso hatte sich Mandrak Mädchen zugewandt?
Hatten die Mädchen unter Umständen Merkmale erwachsener Frauen? Hatten sie vermeintliche Signale ausgesendet, die er missdeutet hatte? Befand er sich womöglich in einer Regressionsphase – einem unbewussten Rückzug auf eine frühere Entwicklungsstufe des Ichs, in der ein bestimmtes Verhalten noch funktionierte –, die er dann auf seine Opfer projizierte?
Levy wechselte hinüber zu den Aufnahmen der beiden Mädchen. Er musste wissen, wie die beiden aussahen.
Die zwölfjährige Silke J. war ein normal entwickeltes Mädchen mit blonden, glatten Haaren bis zu den Schultern. Am Tag ihrer Entführung trug sie ein knielanges Röckchen mit Paillettenbesatz, ein rosafarbenes T-Shirt ohne Aufdruck und weiße Sandaletten. Sie war mit dem Fahrrad in den späten Nachmittagsstunden zu einer Freundin unterwegs, als ihr Mandrak in einer Seitenstraße auflauerte. Er beschrieb die Auswahl des Opfers als zufällig, nicht geplant. Ein Impuls hatte sich gemeldet, dem er blind gehorchte. Auch später in der Therapie wollte er keine genaueren Angaben machen, außer dass die Kleine ihn angelacht habe. Das sei ein unmissverständliches Signal für ihn gewesen.
Bei der dreizehnjährigen Lilith W. wollte sich Mandrak das erste Mal sicher gewesen sein, dass er eine neue Ebene seiner Wunschvorstellung erreicht habe. Die Kleine trug lange, rotgewellte Haare, die mit ihrer auffallend hellen Haut eine unbeschreiblich attraktive Verbindung eingegangen waren. Er habe sie mehrfach beobachtet, bevor er zugriff. Sie schien für ihn wie ein Wesen aus einer anderen Welt zu sein – unnahbar, verführerisch, sündig.
Als er sie dann in seinem Keller nackt sah, soll er von ihrer Schönheit überwältigt gewesen sein. Sie habe er daher auch nicht nach wenigen Tagen gehen lassen, mit ihr wollte er bis zum Schluss zusammenbleiben.
Was er unter Schluss verstand, konnte er nicht beantworten.
Liliths Martyrium hatte neun Wochen gedauert, bis ihr die Flucht gelang. Mandrak hatte übersehen, dass die kleine Lilith mit einem Stück Tesafilm den Schließmechanismus des Türschlosses manipuliert hatte. Sie brauchte nur abzuwarten, bis Mandrak am Morgen zur Arbeit fuhr, um die Tür aufzustoßen und in die Freiheit zu gelangen.
Bei der Aufnahme im Krankenhaus machten die Ärzte eine bestürzende Entdeckung. Mandrak hatte sein Opfer nicht nur missbraucht, sondern ausgiebig misshandelt. Auf ihrer weißen Haut fanden sich Striemen und Blutergüsse.
Welcher Art waren die Verletzungen?, fragte sich Levy. Er durchsuchte den Bericht nach genaueren Angaben, fand aber keine.
Später hatte sie ausgesagt, dass Mandrak auf sie eifersüchtig gewesen sei und sie deshalb oft
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