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Weiß wie der Tod

Weiß wie der Tod

Titel: Weiß wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Kontakt über diese Website hinaus?«
    »Anzunehmen. Doch dafür müsste ich mich in das System einhacken.«
    Benguela dachte nach. »Ich fürchte, es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Bereite alles vor. Ich werde nochmal mit Hortensia sprechen.«

47
    Er hatte in ein Wespennest gestochen. Levy holte aus den Nachrichtenarchiven die Berichterstattung zum Fall Holger Mandrak hervor. Sie bezog sich in der Mehrheit auf die Wochen und Monate nach der Verhaftung Mandraks und die Informationen zu den Opfern, die im Zuge der Ermittlungen bekannt wurden.
    Schon damals, Mitte der Neunziger, hatte die mediale Opferschau einen festen Bestandteil der Meldungen ausgemacht, wenngleich nicht in dem Maße, wie sie heute üblich war. Opfer begannen damals aus dem Schatten der bemitleidenswerten Menschen herauszutreten und in eine fragwürdige Märtyrerrolle zu wechseln. Das Verständnis für ihr erlebtes Leid ging mit einem Voyeurismus einher, der wochenlang die Seiten füllte.
    Zu Beginn konzentrierte sich das öffentliche Interesse noch auf den Täter, seine Taten und seine unfassbare Pathologie. Doch als das Thema nicht mehr viel hergab, wurden peu à peu Details über die Opfer bekannt. In den Vordergrund schob sich das Schicksal der dreizehnjährigen Lilith Waan, die sich am längsten in Mandraks Gefangenschaft befunden hatte. Sie zeigte für die mediale Zurschaustellung die besten Voraussetzungen.
    Sie war jung, hübsch und vor allem gesprächig. Ihr zur Seite stand eine Mannschaft aus Psychologe, Berater und Anwalt – ein jeder um das Wohl der kleinen Lilith besorgt.
    Wer im Laufe der Anklage auf der Strecke blieb, war Lilith. Anfänglich ließ man sie noch starke Sätze sprechen, wie: Er tut mir leid oder Ich war stärker.
    Diese Position war neben vielem anderen ein neues Phänomen in der Selbstdarstellung der Opfer. Der Begriff Acting out wurde geschaffen – Ablenkungsmanöver, mit denen das Trauma nach außen verlagert wurde und somit kurzfristig eine Erleichterung eintrat.
    Der Presserummel und die dadurch gewonnene Aufmerksamkeit bestärkten Lilith in der falschen Annahme, dass sie durch die Opferrolle aus der Masse herausstach. Sie hatte eine neue Identität gewonnen, war in den Mittelpunkt des Interesses getreten und fühlte sich offenbar angenommen.
    Dass dem nicht so war, zeigte sich in dem Maß, wie ihre Präsenz in den Medien verblasste. Die Geschichte ihrer Gefangenschaft war erzählt, ihre Träume und Hoffnungen auf die Zukunft waren gehört worden. Was blieb, waren Einsamkeit und die Erinnerung.
    Eine Meldung nach der Verurteilung Mandraks verlieh ihr letztmalig eine Stimme. Ich hege keine Rachegedanken.
    Danach wurde es still um sie. Eine Randnotiz wollte wissen, dass sie sich zu einer langfristigen Therapie in die Schweiz begeben habe. Ich habe keine Angst mehr, denn ich weiß, dass er mir nie wieder etwas zuleide tun kann.
    Was für ein Donnerschlag musste es dann für Lilith gewesen sein, als Mandrak vor einem Jahr in den Freigang überführt wurde?
    Und was war in der Zwischenzeit mit ihr passiert? Es lagen rund zwölf Jahre zwischen diesen beiden Wendepunkten ihres noch jungen Lebens. Hatte die Therapie Erfolg gehabt? Hatte sie das Trauma so gut verarbeitet, dass sie mit ihm leben konnte?
    Levy startete eine neue Suchanfrage in den Archiven: Mandrak, Sexualstraftäter, offener Vollzug, Lilith, Opfer.
    Die Trefferliste hielt sich in Grenzen. Keiner der großen Nachrichtenkanäle war vertreten. Bürgerradios, Stadtteilzeitungen und offene Kanäle hatten sich des Vorgangs angenommen. In der neuen, multimedialen Zeit waren dies in erster Linie Video- und Audiodateien.
    Levy klickte eine an. Das Video zeigte eine Gruppe Menschen, die sich gegen den richterlichen Beschluss laut skandierend hinter einem Spruchband versammelt hatte. Keine Freiheit für Raubtiere war darauf zu lesen. Daneben das Logo der Organisation, die den Protest bündelte: eine weiße Lilie.
    War das der gleiche Verein, den Luansi aufgesucht hatte?
    Levy hörte das Interview mit Greta Harmstorf, der Geschäftsführerin. Sie sprach von einer Fehlentscheidung des Gerichts und der Gutachter. Serienstraftäter wie Mandrak seien nicht zu therapieren, die Allgemeinheit müsse vor ihnen geschützt werden, wenn nötig, bis zu ihrem Lebensende.
    Sie untermauerte ihre Thesen mit einem Gutachten, das sie in Auftrag gegeben hatte. Auf Basis der Zeugenaussagen, der Gerichtsprotokolle und was sie sonst noch aus der Therapie Mandraks zusammentragen

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