Weiss wie der Tod
wie dieser Verein funktioniert, dann verfügen die über Informationen, nach denen wir uns die Finger lecken.»
«Zum Beispiel?»
«Wir wissen viel über die Vorgeschichte und die Verurteilung überführter Straftäter. Wenn wir uns bemühen, bekommen wir auch raus, wie sie sich während der Haft verhalten haben. Was wir aber nicht wissen, ist, was sie nach der Entlassung tun.»
«Wie kommst du darauf, dass die Weiße Lilie darüber informiert ist?»
«Das habe ich mich auch gefragt. Ich hatte eine Vermutung, als ich zu dem Treffen aufgebrochen bin, und diese Harmstorf hat es mir indirekt bestätigt. Ich stelle es mir folgendermaßen vor: Jedes Opfer kennt den Namen und das Gesicht des Täters, der sich an ihm vergangen hat. Es weiß, wie lange er in Haft bleibt und wann er entlassen wird.»
«Wie kommst du darauf? Ich wäre froh, wenn ich den Typen niemals mehr zu Gesicht bekommen würde», widersprach Gudman.
Luansi bestätigte. «Das mag auf das Opfer zutreffen, richtig. Und nach all dem, was wir darüber wissen, stimmt das auch. Opfer hegen nur selten Rachegedanken. Aber was ist mit den Angehörigen, der Familie, den Freunden, den Nachbarn? Jeder, der aus dem engen sozialen Umfeld des Opfers erfahren hat, dass das Schicksal beim nächsten Mal auch ihn, seine Tochter oder seine Frau treffen kann, ist sensibilisiert. Und genau das hat die Harmstorf bestätigt. Ihr Netzwerk fußt auf dem Gedanken der Beobachtung zum Schutz der eigenen Haut. Sie sammeln Daten über Straftäter, tauschen sie aus und benachrichtigen sich gegenseitig, wenn jemand in ihre Nachbarschaft zieht. So einfach dieser Gedanke ist, so genial ist er auch. Wenn jemand weiß, wo sich unser Täter aufhält und was er tut, dann ist es dieser Verein – vorausgesetzt, er ist schon mal straffällig geworden.»
Die Erklärung zeigte Wirkung. «Sehr gut», sagte Michaelis. «Bleib an der Weißen Lilie dran.»
«So einfach ist das nicht», entgegnete Benguela. «Ich brauche Zugang zu deren Herzstück, und das ist die Datenbank, in der alle Informationen gespeichert sind. Ohne Durchsuchungsbefehl komme ich da nicht weit.»
«Ich spreche mit dem Staatsanwalt», versicherte Michaelis. «In der Zwischenzeit kannst du deine Theorie mit der Gruppengewalt verfolgen. Wir sollten diese Möglichkeit nicht aus den Augen verlieren.
Naima, hast du noch etwas zu Jochen Landau in Erfahrung bringen können?»
«Oh ja», begann sie, «und das wirft kein sonderlich gutes Licht auf ihn. Ich habe mit der Großmutter und den Nachbarn gesprochen. Sie bestätigt, dass Marion Landau in der Nacht des 13. Februar mit den zwei Kindern am Bahnhof in Essen eingetroffen ist, allerdings nicht so, wie sie es uns glaubhaft machen wollte. Nach Angaben der Großmutter sei ihre Tochter mit Gesichtsverletzungen aus dem Zug gestiegen. Sie waren so schwer, dass sie geradewegs ins Krankenhaus gefahren sind. Die Ärzte haben unter anderem eine Verletzung des linken Auges durch massive Gewalteinwirkung, das heißt Schläge, festgestellt. Sie musste einige Tage stationär behandelt werden, um eine Schädigung des Auges auszuschließen.
Dieser Krankenhausaufenthalt war nicht der erste gewesen, so die Großmutter weiter. In den letzten Monaten soll ihre Tochter mehrmals einen Arzt aufgesucht haben, um ihre Verletzungen behandeln zu lassen. Sie habe daraufhin Landau wegen Körperverletzung angezeigt. Es wurde jedoch nicht weiter ermittelt, da Marion Landau bestritt, von ihrem Mann geschlagen worden zu sein. Die üblichen Ausreden. Sie sei gestürzt, habe sich beim Sport verletzt und dergleichen mehr.
Die Nachbarn bestätigen im Großen und Ganzen die Angaben der Großmutter. Es sei immer wieder Streit aus dem Haus der Landaus zu hören gewesen. Daraufhin habe sie oder er das Haus verlassen und sei erst am nächsten Tag wieder zurückgekommen.»
«Aggressionen dieser Art, besonders wenn sie wiederkehrend sind, haben ihre eigene Historie», warf Levy ein. «Ich wette, Landau ist bereits früher aufgefallen. Wieso steht dazu nichts in seiner Akte?»
«Wenn gegen ihn ermittelt oder wenn gar ein Urteil gegen ihn erlassen worden wäre», erklärte Michaelis, «dann wird der Eintrag bei Jugendlichen nach zwei beziehungsweise vier Jahren und bei Erwachsenen nach sechs Jahren gelöscht. Danach hat er wieder eine weiße Weste, als hätte er sich nie etwas zuschulden kommen lassen. So will es das Gesetz.
Naima, überprüf Landau, ob er im Bundeszentral- beziehungsweise im Erziehungsregister
Weitere Kostenlose Bücher