Weiss wie der Tod
fragte eine Stimme aus dem Hintergrund. Es war Michaelis. «Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um dich.»
«Weil ich endlich mal pünktlich zur Arbeit erscheine?», entgegnete Levy.
Michaelis legte den nassen Regenmantel ab. «In deinem Fall, ja. Jetzt sag schon: Was ist los mir dir?»
Levy legte den Stift zur Seite. «Es ist alles in wunderbarer Ordnung. Wirklich. Magst du einen Kaffee? Frisch gebrüht.»
«Gern.»
Levy ging in die Küche und kam gleich darauf mit zwei dampfenden Tassen zurück. «Dieser Jochen Landau ist mir ein Rätsel», sagte er. «So wie ihn seine Frau beschrieben hat, gab es für ihn nichts anderes als seine Arbeit. Völlige Abschottung. Ich frage mich, wie unser Täter auf ihn gekommen ist, wenn es nicht bei der Arbeit war.»
Michaelis schlürfte den Kaffee. «Das haben wir uns auch gefragt. Naima wollte gestern Abend noch mehr über ihn in Erfahrung bringen. Ich bin auf ihren Bericht gespannt. Hast du sonst noch etwas aus den Akten herauslesen können?»
«Erste Vermutungen. Ich denke, wir haben es hier mit einer Strafaktion zu tun. Ein sexueller oder gar religiöser Hintergrund will mir nicht einleuchten.»
«Ein Kunde Landaus könnte sich an ihm gerächt haben?»
«Möglich, oder ein Mitarbeiter. Wer auch immer. Er muss auf jeden Fall auch Polykarp gekannt haben. Die Verletzungsmuster sind sich zu ähnlich, als dass sie von zwei unterschiedlichen Tätern stammen könnten. Der Vorgang der Folter spiegelt sich in beiden Opfern gleich wider, genauso wie der finale Todesstoß. Ich denke, hier ist sehr viel Wut und Hass im Spiel. Täter und Opfer müssen sich gekannt haben.»
«Können sie nicht Stellvertreter für einen bestimmten Opfertyp sein?»
«Nicht nach der augenscheinlichen Begutachtung der Körper. Landau war Akademiker – dünne Haut an den Händen, guter Haarschnitt und dergleichen mehr. Polykarp hingegen scheint mit den Händen gearbeitet zu haben, gemessen an dessen Hornhaut und dem Muskelbesatz auf Armen und Rücken. Wenn die beiden etwas miteinander zu tun gehabt haben, dann auf einer anderen Ebene.»
«Wir wissen, dass Landau Architekt war. Dann könnte Polykarp doch auf dem Bau gearbeitet haben.»
«Ja, das ist richtig. Ich nehme an, ihr habt die Baufirma, mit der Landau gearbeitet hat, bereits nach Polykarp befragt. Wenn sie sich daher kannten, muss ihn ja jemand vermissen.»
Michaelis lenkte ein. «Mach mal langsam. Die Information ist gerade ein paar Stunden alt.»
Levy lächelte. «Dann steh hier nicht so tatenlos rum. Los, an die Arbeit.»
Michaelis wunderte sich zunehmend. «Was ist nur los mit dir? Gestern noch am Boden und jetzt himmelhoch jauchzend.»
Die Tür ging auf. Es war Luansi Benguela, in seiner Gefolgschaft der Rest des Teams, das ebenfalls über die frühe Anwesenheit Levys staunte. Michaelis unterband die allgemeine Verwunderung und rief zum Meeting.
Alexej Naumov begann. «Ich habe Neuigkeiten aus der schwulen BDSM-Szene. Niemand will Landau gekannt haben. Seine Verletzungen seien völlig untypisch für die Szene, selbst bei den hartgesottenen S/M-Typen. Es würde zwar hin und wieder ein Stock zum Einsatz kommen, sofern es der Kunde wünscht, aber nicht auf diese Art und Weise.»
«Was nicht heißt, dass nicht dennoch einer der Jungs durchgedreht sein kann», hielt Falk Gudman dagegen.
«Richtig, das wollte oder konnte niemand ausschließen. Auf mich machten die aber einen recht zivilen Eindruck.»
«Was meinst du damit?», hakte Michaelis nach.
«Na ja, wenn man mal über den ganzen martialischen Leder- und Ketten-Schnickschnack hinwegsieht, dann sind das recht freundliche und friedfertige Jungs.»
«Hat sich unser Blondschopf vielleicht in einen dieser strammen Ledermaxe verguckt?», frotzelte Gudman.
«Blödsinn», fauchte Naumov. «Die waren einfach nur nett.»
Ein Grinsen ging durch die Runde. Als Nächster berichtete Benguela von seinem Besuch bei der Weißen Lilie. «Ein seltsamer Verein», fasste er zusammen. «Ich habe nach Rücksprache mit Hortensia die Staatsanwaltschaft benachrichtigt.» Er blickte fragend zu Michaelis. Sie schüttelte den Kopf, sie hatte noch keine Antwort erhalten.
«Ich möchte gern in dieser Richtung weiterrecherchieren.»
«Was hat die Weiße Lilie mit unseren Fällen zu tun?», fragte Naima.
«Ich vermute, dass sich in ihrer Datenbank weit mehr befindet, als wir auf der Website gesehen haben.»
«Was bringt dich zu dieser Annahme?», fragte Levy.
«Wenn nur die Hälfte dessen zutrifft,
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