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Weiss wie der Tod

Weiss wie der Tod

Titel: Weiss wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Weg bereitet hatten. In welche Richtung zielten sie? Gegen sich oder gegen andere?
    Meistens war die Resignation – das Erlebte nicht verhindern zu können, gepaart mit dem Immer-wieder der Flashbacks – zu groß, weshalb solche Patienten oft Suizid begingen.
    «Grauenhaft», sagte Levy.
    Er griff zur Flasche und nahm einen Schluck. Der Wodka lief wie Wasser durch seine Kehle und vermochte ihn kaum zu wärmen.
    Ein Schauer ganz anderer Art nahm ihn in den Griff. Bilder seiner Vergangenheit kamen hoch und vermischten sich mit denen Liliths. Er sah sich wieder in den Dünen der kleinen ostfriesischen Insel vor dem brennenden Haus, in dem seine Eltern gegen den Tod anschrien.
    Die Flammen fraßen sich, durch den Wind angefacht, schnell durch das billige Holz der Hütte. Der Geruch brennenden Fleisches zog die Nase hoch, gefolgt von umhertaumelnden menschlichen Fackeln, die um Hilfe schrien. Sie fielen vor ihm in den Sand, streckten die verkohlte Hand nach ihm aus – nicht, um Halt zu suchen, sondern, um ihn mit in den Tod zu reißen. Er wich zurück, doch da packte ihn eine andere.
    Ein glühendes Gesicht, das seiner Mutter, drohte ihm: Du bist an allem schuld.
    Sein Bruder Frank stand oben an der Düne mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger.
    Levy riss sich aus den Gedanken los, die unversehens über ihn gekommen waren. Was war das? Ein Moment der Klarheit, dann der nächste Schub. Er sprang auf, lief zum Fenster und riss es auf. Frischluft. Der Wind peitschte Regen in sein Gesicht.
    Er drehte sich um und blickte in die Tiefe des Raums hinter sich. Die Konturen verschwammen. Der Schatten des Computermonitors an der Wand veränderte sich. Aus dem viereckigen Gebilde formte sich ein langer Hals und dann ein Kopf. Aus dem Bauch sprangen Krieger mit Schwertern und Schilden zu Boden. Sie verschwanden im Nichts, um Sekunden später in den Flammen der brennenden Stadt wieder zu erscheinen. Ihre Hiebe töteten Männer, Frauen und Kinder. Geschrei erhob sich, um gleich darauf in Flammen und Blut zu ersticken.
    Levy hielt sich die Ohren zu und suchte Schutz vor den beängstigenden Szenen. Er stieg den Fenstersims hoch, unter ihm elf Stockwerke, die geradewegs in den Tod führten.
    Verdammt, was tat er da? Das war nicht real. Das war eine Illusion. Konzentrier dich, beschwor er sich. Dein Verstand gaukelt dir nur etwas vor. Geh vom Fenster weg. Tu es, jetzt.
    Vorsichtig setzte Levy den Fuß auf den Boden.
    Das Surren eines Pfeiles erfüllte den Raum. Er blickte auf. Ein Schatten ging verletzt zu Boden. Über ihn hagelten Hiebe auf ihn herab.
    Schau nicht hin, rief ihn seine innere Stimme zurück.
    Der zweite Fuß brachte ihn in den festen Stand. Jetzt mach einen Schritt nach vorn, vom Fenster weg. Noch einen. Bis zu deinem Bett. Leg dich hin und beruhige dich. Es ist nur eine Illusion. Der Schnaps und das Crystal erzeugen die Bilder und die Stimmen. Gleich wird es vorbei sein.
    Levy folgte seiner eigenen Aufforderung und schloss die Augen.
    Dann erfasste ihn ein Zittern, als verschwände alle Kraft aus seinem Körper.
    Eine Stimme erhob sich: Wer lange in den Abgrund blickt, sollte aufpassen, dass der Abgrund nicht einmal in ihn hineinblickt.
    Das war Nietzsche. Drehte er jetzt völlig durch?

48
    D ie Nadel fuhr mühelos in die pulsierende Vene.
    «Gleich wird es Ihnen bessergehen», sagte Dr.   Behnke. «Aber was haben Sie sich nur dabei gedacht? Sie wissen doch, welche Auswirkungen diese Droge hat.»
    Levy spürte das Beruhigungsmittel in seinen Körper gleiten. Er antwortete nicht auf die Frage, sondern wartete, bis das Mittel das Chaos in seinem Kopf wieder einigermaßen ordnete. Es dauerte nicht lange, dann stand er auf.
    «Danke.»
    «Sie haben Glück», sagte Dr.   Behnke und griff zum Telefon, «gestern ist ein Platz frei geworden. Ich melde Sie gleich an.»
    «Was wollen Sie tun?»
    «Sie zur Entgiftung anmelden. Anschließend gehen Sie in Therapie.»
    «Vergessen Sie’s.» Levy war auf dem Weg nach draußen. «Ich habe noch etwas zu erledigen. Danach können Sie über mich verfügen.»
    «Herr Levy …»
    Er schloss die Tür hinter sich.
    «Rufen Sie mir bitte ein Taxi», sagte er zur Sprechstundenhilfe und eilte die Treppen hinunter auf die Straße.
    Der Wind war abermals stärker geworden. Der Regen, den er mitführte, fühlte sich an wie kleine Messerstiche, wenn er auf die Haut traf. Er trat unter das Dach des Eingangs zurück.
    Heute war der große Tag, hieß es in den Nachrichten. Antje hatte sich nach

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