Weiss wie der Tod
einer kurzen Verschnaufpause nun doch entschieden, der Stadt die größte Sturmflut zu bringen, die sie seit den Siebzigern gesehen hatte. Der Katastrophenschutz hatte alles getan, was möglich war. Nun hieß es abwarten und bangen.
Levy zog den Kragen hoch. Wo blieb das verdammte Taxi?
So etwas wie letzte Nacht durfte ihm nicht mehr passieren, sagte er sich. Er war drauf und dran gewesen, aus dem elften Stock zu springen. Katie hatte recht behalten. Das Crystal trieb ihn in den Wahnsinn. Zukünftig würde er die Finger davon lassen. So wie auch vom Alkohol. Er hatte eine Grenze erreicht, sie sogar überschritten. Was danach kam, war das Delirium oder der Tod. Auf keines von beiden verspürte er Lust. Er musste dringend seinen Kopf wieder klar bekommen. Morgen sollte das Urteil gegen Frank verkündet werden. Das war ein guter Anfang.
Das Taxi schlitterte Levy auf dem nassen Asphalt entgegen.
«Zum Polizeipräsidium», sagte er, «und zwar schnell.»
Der Taxifahrer ließ sich nicht zweimal bitten und drückte aufs Gas. Im Radio verkündeten die Meteorologen den momentanen Aufenthaltsort Antjes. Westerland stand unter Wasser. Das war nur der Ausläufer. Das Zentrum hielt auf Helgoland zu. Wie ein Quirl machten die Flanken dabei alles zunichte, was sich ihnen in den Weg stellte. Die Flutwelle, die sie vor sich herschoben, sollte in der Nacht die Elbmündung erreichen. Dann wurde es ernst.
Niemand sagte ein Wort, während der gesamten Fahrt nicht. Das Wissen, dass in weniger als zwanzig Stunden ein zerstörerisches Unwetter die Stadt heimsuchen würde, ließ jede noch so gutgemeinte Unterhaltung im Keim ersticken.
Levy stieg am Bruno-Georges-Platz aus und hastete die Stufen zum Eingang hoch.
Wie erwartet, herrschte in den Gängen Hochbetrieb. Er schob sich an den Beamten vorbei und erreichte schließlich die Einsatzzentrale. Das Team war bereits versammelt. Falk Gudman berichtete. «… kam gestern Abend die Vermisstenanzeige einer Jennifer Warneke herein. Sie gilt seit mittlerweile vier Tagen als verschwunden. Ihr Chef und seine Mitarbeiter machen sich Sorgen, da ein unentschuldigtes Fernbleiben nicht ihre Art sei, zumal sie gestern eine wichtige Präsentation hatte, zu der sie nicht erschienen ist. Weder die Eltern noch der Hausmeister oder die Nachbarn wollen wissen, wo sie sich aufhält.»
«Vielleicht ist sie vor dem Sturm geflüchtet», gab Naima Hassiri zu bedenken.
Gudman ließ sich ungern unterbrechen. «Kaum. Sie wohnt im vierten Stock in Harvestehude. Aber darauf will ich gar nicht hinaus. Bemerkenswert wird diese Jennifer, nachdem ich die Akte von Jette Friis gelesen habe. Beide sind Anfang zwanzig, gut aussehend, solo und hatten Jobs im Management. Sie werden von Freunden und Arbeitskollegen als dynamisch und ehrgeizig beschrieben. Zwei nahezu identische Fälle.»
«Worauf willst du hinaus?», fragte Michaelis.
«Dass wir uns darauf gefasst machen müssen, bald eine zweite Leiche zu finden. Und wenn mich nicht alles täuscht, haben wir es auch mit demselben Täter zu tun.»
«Bete keine Leiche herbei, wo keine ist. Hamburg befindet sich im Ausnahmezustand. Diese Jennifer kann ganz schnell wieder auftauchen, wenn alles vorbei ist. Solange wir keine Leiche haben, bleibt es bei der einen. Und bei einem Mörder.» Sie wandte sich an Naima. «Hast du was zur vermuteten Verbindung der Opfer Mandraks und Landaus herausgefunden?»
«Laut Aktenlage decken sich Mandraks Opfer nicht mit denen Landaus. Ich habe mit einigen Frauen telefoniert, und sie haben es mir bestätigt.»
«Einen Versuch war es wert.» Dann wandte sie sich Luansi Benguela zu: «Was gibt es bei dir Neues? Und überhaupt, wo steckt Alexej?»
«Alexej ist zu Hause, auf meine Anweisung hin.» Benguela berichtete von den Ergebnissen ihrer Recherche der letzten Nacht. «Um herauszufinden, wie sie Kontakt miteinander hatten, benötigen wir Zugriff auf ihre Profile.»
«Wie stellst du dir das vor?», fragte Michaelis. «Ich ruf mal schnell in den USA an, und schon schicken die uns die Informationen?»
«Nein, wir hacken uns in ihr System. Alexej wartet nur auf den Startschuss.»
«Das will ich nicht gehört haben. Die Aktion von letzter Nacht ist schon knapp an der Legalität vorbeigeschrammt.»
«Was schlägst du dann vor?»
«Wir stellen einen Antrag auf Amtshilfe.»
«Das dauert Wochen.»
«Luansi, jetzt hör auf damit. Steigt dir das Wetter zu Kopf, oder brauchst du Urlaub? Wir können uns nicht einfach in andere Computer
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