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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
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Meeres bringt.
    »Danke, Silvia. Ich bin froh, dass es dich gibt.«
    »Ich auch.«

E s gibt Nachmittage, da erscheint mir mein Zimmer, das toller ist als Eurodisney und Gardaland zusammen, wie ein Dachboden voll entseeltem Gerümpel. Was soll man mit diesem Scheißleben, wenn es den Tod gibt? Und das, was nach dem Tod kommt, macht mir Angst. Und wenn danach nichts kommt, macht mir das noch mehr Angst. Und Gott macht mir Angst, weil er allmächtig ist. Und Leid und Schmerz machen mir Angst. Und Beatrices Krankheit macht mir Angst. Und allein zu bleiben macht mir Angst. Und all dieses ganze beschissene Weiß …
    Also rufe ich Niko an, aber Niko ist Fußball spielen, und ich kann nicht hin. Also rufe ich Silvia an, aber Silvia ist nicht zu Hause. Ich probiere es auf dem Handy: Es ist ausgeschaltet. Ich schicke ihr eine Nachricht: »Ruf mich an, sobald du kannst.«
    Silvia, könntest du mich noch mal streicheln wie neulich? Ich habe Angst, Silvia. Ich habe eine Scheißangst vor allem. Ich habe Angst, in meinem Leben nichts auf die Reihe zu kriegen. Ich habe Angst, dass Beatrice stirbt. Ich habe Angst, niemanden zu haben, den ich anrufen kann. Ich habe Angst, dass du mich verlässt.
    Ich sitze in meinem Zimmer, das voller stummer Dinge ist. Niemand, mit dem ich reden kann. Die Bücher sind stumm, denn es ist kein Träumer da, der sie mir erklären oder mir weismachen könnte, dass sie vielleicht doch ganz gut sind. Die Comics sind stumm, trotz ihrer Farben. Die Stereoanlage ist stumm, weil ich keine Lust habe, sie anzuschalten. Der PC ist stumm, weil dieser ach so tiefe Bildschirm, in dem die ganze Welt Platz hat, von der Seite betrachtet nichts als eine flache Mattscheibe ist. Und man fragt sich, wie in diesem platten Ding die ganze Welt, das ganze Meer Platz haben soll. Heute ist in meinem Zimmer alles stumm. Aber ich werde mich nicht davor drücken. Ich werde standhalten. Heute brechen Wellen von Traurigkeit in mein Zimmer. Ich versuche sie mit einem Schwamm einzudämmen. Ich bin lächerlich. Ein paar Minuten halte ich durch, dann steigt die Angst in mir auf, und ich bin ein Schiffbrüchiger inmitten eines Ozeans aus Einsamkeit.
    Ich treibe in einer Wüste aus Weiß: ein riesiger, grenzenloser, schalldichter Raum, in dem kein einziger Winkel auszumachen ist. Man weiß nicht, wo oben und unten, rechts und links ist … Ich schreie, doch jedes Geräusch wird verschluckt. Alles, was mir über die Lippen kommt, ist bereits verdorben.
    Silvia, ich bitte dich, ruf mich an.

A ls ich aufwache, ist es bereits vier, und die Angst erscheint weiter weg, was aber nur daran liegt, dass ich total verpennt bin. Ich bin auf irgendeiner einsamen Insel gelandet. Ich suche nach etwas, das mir hilft, zu überleben. Die Poster an meinen Wänden starren mich an. Dann sehe ich den Brief. Ich muss Beatrice den Brief bringen. Es gibt zwei Probleme. Der Brief ist komplett ramponiert, er sieht aus wie das Schmierblatt vom Schmierblatt meiner Klassenarbeiten, ich muss ihn also noch mal schreiben, aber mit der linken Hand kann ich das nicht.
    Das zweite Problem ist, dass ich nicht weiß, ob Beatrice zu Hause oder im Krankenhaus ist. Für mein erstes Problem gibt es nur eine Lösung: Silvia. Ich diktiere den Brief, und sie schreibt. Klar, das ist nicht das Gleiche, er hat nicht meine Handschrift, aber Silvia hat eine schöne Schrift, viel schöner als meine. Und was das zweite Problem betrifft … die Lösung liegt auf der Hand: Silvia!
    Oder ist das vielleicht übertrieben? Sie ruft Beatrice an und fragt sie, wo sie ist, und ich bringe ihr den Brief und kann vielleicht mit ihr reden. Ja, ich rede mit ihr, ich muss mit ihr reden. Ich muss ihr vom Traum erzählen, und wenn sie begreift, dass es nicht ohne ihn geht, dass er unser Schicksal ist, wird sie gesund, weil Träume uns von jeglichem Leid, von jeglichem Schmerz befreien. Träume füllen jedwedes Weiß mit Farben.
    Ich gehe zu Silvia.

S ilvias Mutter ist eine Frau, die nicht mehr sein will als sie ist. Ich mag sie. Silvia kommt eher nach ihr als nach ihrem schweigsamen und irgendwie undurchschaubaren Vater. Silvias Mutter hat eine große Gabe: Sie interessiert sich wirklich für mich. Das merke ich an ihren Fragen.
    »Und, machst du bald wieder Musik?«
    »Ich kann’s gar nicht abwarten …«
    Sie will Einzelheiten wissen. Nur wer Einzelheiten wissen will, versucht ernsthaft, sich in den anderen hineinzufühlen. Die Einzelheiten. Die Einzelheiten: eine Art aufrichtige Liebe. Ich mag

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