Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
dieses Thema spreche, kommt wieder die »Tropfen auf den heißen Stein«-Debatte auf den Tisch. »Wenn nur ich meine Stimme erhebe, dann ändert sich doch nichts. Wenn nur ich mich auflehne, dann passiert doch nichts.« Genau diese Haltung führt dazu, dass sich ganz bestimmt nichts ändert.
Ich möchte an dieser Stelle ein paar Fragen formulieren, die vielleicht überraschend und provozierend erscheinen:
Muss es immer das Billigste sein? Muss es immer alles sein? Sollten wir uns nicht auch bewusst machen, dass sich hinter einem besonders günstigen Produkt mitunter Kinderarbeit der schlimmsten Art verbirgt? Das ist zum Beispiel bei Kakao der Fall, auch bei Steinen wie zum Beispiel Grabsteinen oder bei Teppichen. Die Kakaoernte wird in vielen Regionen durch Kinder eingebracht, in den Steinbrüchen Indiens klopfen Kinder in zartem Alter Steine, statt zur Schule zu gehen, und auch in Nepal werden erschreckend viele Teppiche von Kinderhänden geknüpft. Wir müssen uns bewusst machen, dass nur so die Schokolade 69 Cent beim Discounter kosten kann und der neue Teppich 109 Euro als Schnäppchen. Wie kommt aber das Schnäppchen zustande? Warum kann ein Produkt so billig sein? Vielen Menschen ist es leider zu anstrengend, das zu hinterfragen, eine kritische Haltung erscheint ihnen zwecklos. »Wenn ich die Schokolade nicht mehr kaufe, was soll das schon nützen«, fragt sich so mancher. »Mein Nachbar lädt sie sich trotzdem stapelweise in den Einkaufswagen. Was kann ich allein da schon ändern?«
Ich glaube, wir haben ein gesellschaftliches Problem, und das heißt »Geiz ist geil« oder »Unterm Strich zähl ich«. Ein befreundeter Pastor hat es bei einem Konfirmandennachmittag, bei dem ich Unterricht zum Thema Ghana hielt, sehr treffend formuliert: Alles, was zählt, bin »ich«. Mein Wegkommen bei der ganzen Sache. Mein Sparen, mein Schnäppchen, mein Profit. Auf wessen Kosten ich diesen mache, das ist doch egal. Denn »Unterm Strich zähl ich«.
Auch ich mache nicht alles richtig, bedenke nicht immer alles und vor allem weiß ich nicht alles besser. Aber ich mache mir Gedanken zu diesen Themen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir sehr gut leben können, auch ohne andere Menschen, wenn auch im Verborgenen, zu übervorteilen. Auch ich freue mich, wenn ich ein Schnäppchen mache, eine reduzierte DVD ergattere oder mein Flug nach Ghana günstiger ist als beim letzten Mal. Aber ich habe durch das Leben in Afrika gelernt, dass man nicht immer alles und am besten sofort haben muss. Ich kaufe nur noch Fair-Trade-Schokolade. Natürlich ist die teurer. Aber anstatt dreier Tafeln kaufe ich nur noch eine und genieße diese dann. Außerdem schmeckt sie mir auch noch besser. Muss es jeden Tag Fleisch sein von Tieren, die überzüchtet und unter grausamen Bedingungen gehalten werden? Chicken Nuggets für 99 Cent bei McDonald’s? Kann es nicht, wenn es denn schon Fleisch sein muss, von einem Tier stammen, das artgerecht gehalten wurde und nebenher auch noch von einem Bauern kommt, der seinen gerechten Lohn für seine Arbeit und seine Milch bekommt? Richtig, dafür muss ich mehr Geld auf den Tisch legen. Aber ist es nicht eine gesunde und vernünftige Alternative, dann nur zwei- oder dreimal pro Woche Fleisch auf dem Teller zu haben, dafür aber etwas Gutes?
Ein anderer Punkt, der in unserer Gesellschaft oft zu kurz kommt, ist Wertschätzung. Wertschätzung für all das, was wir haben, die guten Straßen, Schulen, Kindergärten und eine Feuerwehr, die nach fünf Minuten da ist, wenn man sie ruft. Eine verlässliche Polizei. Und eine Notaufnahme im Krankenhaus, die rund um die Uhr für uns da ist. Man wird nicht weggeschickt, wenn man kein Geld hat oder keine Krankenkassenkarte. Fließend Wasser und Strom sind für mich schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr. Wenn man viel Zeit in Afrika verbringt, weiß man solche Dinge einfach sehr zu schätzen, die alles andere als selbstverständlich sind. Und darum geht es: Ich würde mir so sehr wünschen, dass wir uns alle ein wenig mehr Gedanken machen. Ein bisschen bewusster mit dem umgehen, was wir zur Verfügung haben. Wir müssen ja nicht gleich unseren ganzen Lebensstil auf Öko umstellen. Würde aber jeder Einzelne in seinem privaten Bereich hier und da eine kleine Veränderung vollziehen, dann wäre das doch bei 80 Millionen Menschen in Deutschland auf die Dauer spürbar. Veränderungen fangen nun mal im Kleinen an.
Ich werde oft gefragt: »Warum gerade Ghana?«
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