Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Durchfall. Ich werde niemals einen Abend nach einem anstrengenden Tag vergessen, an dem wir alle in den Seilen hingen. Zu all den Krankheitsfällen, die das Team heimsuchten, erwischte es an diesem Abend auch noch mich: Bei einem unglücklichen Sturz schlug ich mir das Knie auf, und die Wunde war voller kleiner Steinchen. Ich versuchte, das sorgsam zu vertuschen, denn es gibt in Ghana den Brauch, dass an der Stelle, wo eine Queen Mother zu Boden stürzt, eine Ziege geopfert werden muss. Das wollte ich aber unter keinen Umständen. Und so mussten wir absolut verhindern, dass das Dorf oder gar der Chief mitbekam, was passiert war.
Ich stand gerade unter der Dusche und versuchte, die vielen kleinen Sandkörner aus meiner Wunde zu waschen, während meine Gäste, alle mehr oder weniger lädiert, um den Tisch unserer Unterkunft herumsaßen. Allein Atze und der Kameramann waren noch obenauf. Da klopfte es, und der Chief stattete uns einen Besuch ab. Der Kameramann, höflich, wie er nun mal ist, bat ihn herein und bot ihm etwas zu trinken an, wie man das eben in Deutschland auch machen würde. Ich hörte das unter meiner Dusche und krümmte mich innerlich. Denn gemäß der Sitte unter den Stämmen in Aschanti und Brong Ahafo war es nahezu eine Beleidigung, einem Chief etwas zu essen oder zu trinken anzubieten. Diese Verhaltensregel rührt sicher noch von alten Zeiten her, als sich die Chiefs gerne gegenseitig vergifteten, doch sie gilt auch heute noch. Das konnten meine deutschen Gäste natürlich nicht wissen, und ich hoffte inständig, dass der Chief so viel Größe haben und es den unwissenden Weißen nachsehen würde.
Nun musste ich noch das Kunststück vollbringen, aus der Dusche zu kommen, ohne dass der Chief meine blutende Wunde sah. Es gelang mir leider nicht, und als Nana Shie Bofor II. fragte, warum mein Knie blutete, sagte ich leichthin: »Ich hatte Probleme mit dem Laufen.« Er sah mich sehr verwundert an, aber er kennt meine Tierliebe und fragte zum Glück nicht weiter nach. Man konnte den Betonklotz ganz deutlich von meinem Herzen plumpsen hören.
Einige Tage später hatte ich bei einer unserer Fahrten ein Erlebnis, das mir diese Begleiter, mit denen ich ja eigentlich nur »geschäftlich« unterwegs war, noch näherbrachte. Wir standen mit dem Wagen gerade in der Provinzstadt Sampa und warteten, dass Emmanuel Trinkwasser für uns alle kaufte. Während wir also im klimatisierten Auto saßen, beobachteten wir einen alten Mann, der gemeinsam mit einem Kind einen Rollwagen, voll beladen mit irgendwelchen Lasten, eine ansteigende Straße hinaufschieben wollte. Sosehr sie sich auch anstrengten, sie kriegten die verdammte Karre nicht diesen steilen Weg hinauf.
Einer der Crewmitglieder und ich blickten uns an, und ohne dass wir uns abgesprochen hätten, war klar, dass wir beide da nicht länger tatenlos zusehen konnten. Wir sprangen aus dem Wagen, und ehe der alte Mann wusste, wie ihm geschah, hatten wir auch schon das Ding den Berg hochgeschoben. Ich werde nie den Blick des Mannes vergessen, für den wir so etwas wie eine Erscheinung gewesen sein mussten. In Sampa kommen nicht oft Weiße durch, und auf einmal hatten zwei Weiße ihm die schwere Arbeit abgenommen.
In Brodi war Atze Schröder von den Menschen und besonders von den Kindern sehr angetan. Sein Spendenaufruf erging für den Bau einer Kinderstation, die wir als Erweiterung an die Klinik anbauen werden, damit die Kleinen nicht mehr länger an heilbaren Krankheiten sterben müssen. Und Atze Schröder wäre nicht Atze Schröder, wenn er nicht auch hier den Kindern sein »Ja ne, is klar!« beigebracht hätte. Nach zwei Tagen liefen die Kinder, beglückt durch so viel Entertainment durch die Weißen, durch das Dorf, und an jeder Stelle, wo wir auftauchten, hörte ich: »Ja ne, is klar!«
Als ich drei Wochen später erneut nach Brodi kam und alle Kinder auf mich zuliefen und »Ja ne, is klar!« skandierten, da war klar, Atze hatte seine Spuren hinterlassen.
Als die Zeit für ihn in Ghana zu Ende ging, fragte er mich etwas, was mich sehr rührte und freute. Er wollte wissen, ob er ein paar Hemden und eine Hose in unserem Haus in Accra zurücklassen könne. Denn er wollte wiederkommen, auch ohne Fernsehteam. Das erinnerte mich daran, wie auch ich bei meinem ersten Besuch bei Mimie und Kofi einige Sachen zurückgelassen hatte. Für mich hat das eine symbolische Bedeutung: Solange ich noch irgendwo ein paar Sachen von mir deponiert habe, kann ich noch
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