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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Landgrafe
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dorthin zurückkehren. Ein Stück von mir bleibt dort. Was daraus wurde, das wissen wir ja heute.
    Und jetzt blieb ein Stück von Atze bei uns. Wir waren während der wenigen Tage, die wir in Ghana gemeinsam unterwegs gewesen waren, Freunde geworden.

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    Kapitel 16
    Mein Leben für Afrika
    M anchmal bin ich selbst darüber erstaunt, wie alles kam. Ich hatte mir ja damals, als ich zum ersten Mal nach Ghana flog, nicht vorgenommen, eine Hilfsorganisation zu gründen. Ich konnte einfach nicht wegsehen. Und so kam das eine zum anderen.
    Bald merkte ich, dass ich Fähigkeiten besitze, die andere offenbar nicht haben, und dass ich mit ihnen durchaus etwas bewegen kann, und zwar über meinen Beruf als Krankenschwester hinaus. Für mich ist es eine Gabe, die ich zum Wohle anderer nutzen möchte. Ich habe gemerkt, dass ich zuhören kann und die richtigen Fragen stelle und eine große Fähigkeit habe, Menschen und Abläufe optimal miteinander zu vernetzen. Dass ich die Gabe besitze, mich sehr gut in andere Menschen hineinversetzen zu können. Dies ist aufgrund der Sprachbarriere doch gar nicht so einfach. Ich habe so viel gelernt, auch für mich war es ein langer Prozess, ganz langsam und allmählich wuchs ich in diese Aufgaben hinein. Ich habe herausgefunden, dass es wichtig ist, zum Beispiel einem Dorf eine Stimme zu geben, ihm zu seinen Interessen zu verhelfen. Diese Menschen muss man ernst nehmen und ihnen zuhören, denn sie haben konkrete Vorstellungen, wie sie ihr Leben gestalten möchten, nur die Umsetzung bereitet ihnen häufig Probleme. Heute sehe ich mich als Transmitter zwischen diesen beiden Welten. Denn ich kenne sie beide und bin in ihnen zu Hause.
    Das alles macht mich sehr glücklich. In Afrika bin ich einfach ausgeglichener. Warum das so ist, ich weiß es nicht. Ich bin dort eben so gerne. Und die Arbeit, die ich dort machen, auch wenn es mehr als 20 Stunden am Tag sind, die mich diese Probleme auf Trab halten – ich empfinde es nicht als Arbeit. Es ist einfach das, was ich machen möchte. Und dann denke ich: Bettina, du bist richtig gut dran. Denn ist es nicht unser aller Wunsch, das zu finden, was unsere Bestimmung ist? Ich habe meine Bestimmung gefunden.
     
    Wenn ich in Accra aus dem Flugzeug steige, die Luft atme, die mir inzwischen so lieb ist, so schnell wie möglich durch die Kontrollen gehe, dann stehen sie alle da: Mimie, Emmanuel, Victor – alle erwarten sie mich und schließen mich in ihre Arme. Das ist Glück.
    Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in Ghana eine andere Identität habe als in Deutschland. In Ghana bin ich Nana Enimkorkor und trage Verantwortung für viele Menschen. Ich bin dafür verantwortlich, dass die Familien, die für uns arbeiten, auch morgen noch ihre Arbeitsstelle haben, dass sie ihr Gehalt bekommen und damit auf eigenen Füßen stehen können und nicht auf Almosen angewiesen sind.
    Es ist auch der Wechsel zu verschiedenen Sprachen, der dafür sorgt, dass ich in Ghana in eine andere Identität schlüpfe. Da ist zum einen das afrikanische Englisch und zum anderen die Stammessprache Twi, die ich versuche immer perfekter zu lernen. Denn das Denken der Menschen spiegelt sich in ihrer Sprache, und darum möchte ich sie so gut wie möglich sprechen können. Bei einem kurzen Urlaub in New York, ich besuchte meinen Cousin, der dort ein Auslandssemester absolvierte, wurde ich am Empire State Building von einem Kartenverkäufer angesprochen. Er war zweifelsohne Afrikaner, denn die Art, wie er Englisch sprach, kam mir sehr bekannt vor. Ich begann mich mit ihm zu unterhalten, und nach ein paar Sätzen stutzte er. »Kommst du aus Westafrika?«, fragte er. Ich sagte: »Ja, ich komme aus Ghana!« Da fing er laut an zu lachen und rief seine ebenfalls afrikanischen Kollegen herbei. Er hatte an meinem Akzent erkannt, dass ich zu ihnen gehörte! Ich fragte, wo er herkomme. Aus Togo, war die Antwort, also sprach er Ewe, genau wie Emma! Ich kann nur ein paar Brocken Ewe, aber der Menschenauflauf war unglaublich! Ich habe sogar versucht, Emma anzurufen, damit er auf Ewe mit den Togolesen in New York sprechen konnte. Ich war so glücklich, Leute »von zu Hause« getroffen zu haben.
    In Deutschland fühle ich mich oft als Getriebene. Da gibt es so viel zu organisieren, und der Rhythmus dieses Landes geht auch auf mich über. Afrika dagegen bremst mich aus. Oftmals geht es einfach nicht schneller, auch wenn ich mich auf den Kopf stelle. Und irgendwann lasse ich los. Die äußeren

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