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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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» Ich will nur nicht einschlafen. «
    Er raschelt mit der Decke, als er sich auf die Seite dreht. » Wieso das? Hast du Angst, du würdest– «
    » Genau. «
    » Oh. « Ich bin froh, dass ich sein Gesicht im Dunkeln nicht sehen kann.
    » Was wäre, wenn du etwas so Schreckliches getan hättest, dass du niemandem begegnen willst, der davon weiß? « Meine Stimme ist so leise, dass ich keine Ahnung habe, ob er mich überhaupt verstehen kann. Warum habe ich das gesagt? Ich rede nie über so was, schon gar nicht mit Sam.
    » Hast du doch versucht, dich umzubringen? «
    Das hätte ich voraussehen können, habe ich aber nicht.
    » Nein « , antworte ich. » Ehrlich nicht. «
    Ich stelle mir vor, wie er zwischen mehreren möglichen Antworten schwankt, und wünschte, ich könnte die Frage zurücknehmen. » Okay. Dieses Schreckliche– warum hätte ich das gemacht? « , fragt er schließlich.
    » Das wüsstest du nicht « , sage ich.
    » Das ist unlogisch. Wie kann man das nicht wissen? « Unser Gespräch erinnert mich an ein Spiel von Sam. Du kommst an eine Kreuzung und da biegt ein schmaler gewundener Pfad in die Berge ab. Der breite Weg führt vermutlich in die Stadt. Wo gehst du hin? Als wäre ich eine Figur, die er spielen soll, und ihm gefielen die Regeln nicht.
    » Du wüsstest es einfach nicht. Das wäre das Schlimmste daran. Es ist etwas, von dem du dir nicht vorstellen kannst, es jemals getan zu haben. Aber das hast du wohl. « Mir gefallen die Regeln auch nicht.
    Sam lehnt sich in die Kissen zurück. » Ich glaube, damit würde ich anfangen. Es muss einen Grund geben. Wenn du nicht rausfindest, warum du es getan hast, tust du es wahrscheinlich wieder. «
    Ich starre in die Dunkelheit und wünschte, ich wäre nicht so müde. » Es ist schwer, ein guter Mensch zu sein « , sage ich. » Weil ich schon weiß, dass ich keiner bin. «
    » Manchmal weiß ich einfach nicht « , sagt Sam, » wann du lügst und wann nicht. «
    » Ich lüge nie « , lüge ich.

    Nachdem ich die ganze Nacht nicht geschlafen habe, komme ich am Morgen kaum aus den Federn. Als Valerio klopft, bin ich nach einer kalten Dusche immerhin so wach, dass ich angezogen öffnen kann. Er wirkt erleichtert, mich lebendig in meinem Zimmer vorzufinden. Neben Valerio steht mein Bruder Philip. Er hat die teure verspiegelte Sonnenbrille in seine nach hinten gegelten Haare geschoben; an seinem Handgelenk funkelt eine goldene Uhr. Bei Philips brauner Haut leuchten seine Zähne noch weißer, wenn er lächelt.
    » Mr Sharpe, das Kuratorium hat sich mit der Rechtsabteilung der Schule beraten und lässt Ihnen ausrichten, dass für eine Rückkehr Ihrerseits eine ärztliche Untersuchung vonnöten ist und dass dieser Arzt in der Lage sein muss, der Schule zu versichern, dass ein Vorfall wie in der vorletzten Nacht zukünftig ausgeschlossen sein wird. Haben Sie mich verstanden? «
    Ich öffne den Mund, um das zu bestätigen, aber die behandschuhte Hand meines Bruders auf meinem Arm hält mich davon ab.
    » Bist du fertig? « , fragt Philip lässig. Er lächelt immer noch.
    Ich schüttele den Kopf und weise gestikulierend auf nicht vorhandenes Gepäck, die verstreuten Schulbücher und das ungemachte Bett. Ja, toll, Philip ist endlich aufgetaucht, aber er hätte mich ruhig fragen können, wie es mir geht. Ich bin fast vom Dach gefallen. Irgendwas stimmt doch mit mir nicht.
    » Soll ich dir helfen? « , fragt Philip, und ich überlege, ob Valerio die Schärfe in seiner Stimme aufgefallen ist. In der Familie Sharpe gibt es nichts Schlimmeres, als wenn man sich vor einem potentiellen Opfer verletzlich zeigt.
    » Das schaffe ich schon « , sage ich und ziehe eine Leinentasche aus dem Schrank.
    Philip wendet sich an Valerio. » Es ist wirklich nett von Ihnen, dass sie sich um meinen Bruder gekümmert haben. «
    Das überrascht den Hausvorsteher so sehr, dass er einen Moment lang nicht weiß, was er sagen soll. Wahrscheinlich würden nicht besonders viele Leute behaupten, man hätte sich wer weiß wie gekümmert, nur weil man die freiwillige Feuerwehr gerufen hat, um einen Schüler vom Dach zu pflücken. » Wir waren alle sehr erschrocken, als– «
    » Die Hauptsache ist doch « , unterbricht ihn Philip geschliffen, » dass es ihm gut geht. «
    Ich verdrehe die Augen, während ich packe– Schmutzwäsche, iPod, Bücher, Hausaufgaben, mein Glaskätzchen, einen USB -Stick, auf dem ich meine Referate gespeichert habe– und blende ihre Unterhaltung so gut wie möglich aus. Ich

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