Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
Münztelefon im Gefängnis kein anderes Münztelefon anrufen, aber sie hat einen Weg gefunden. Erst muss meine Schwägerin sich bereit erklären, die Gebühren zu übernehmen, und dann kann Maura mich in eine Dreierkonferenz holen– oder auch jeden anderen, den Mom sprechen will. Anwälte. Philip. Barron.
Mom könnte mich über diese Dreierschaltung natürlich auch auf meinem Handy anrufen, aber sie ist davon überzeugt, dass alle Handygespräche von einem zwielichtigen Lauschkommando der Regierung abgehört werden. Deshalb ruft sie lieber auf dem alten Ding an.
» Es geht mir gut « , sage ich. » Danke, dass du dich erkundigst. « Ihre Stimme erinnert mich daran, dass Philip mich am nächsten Morgen abholt. Ich gönne mir den kurzen Wunschtraum, dass er sich nicht die Mühe macht aufzutauchen und die ganze Sache abgeblasen wird.
» Dass ich mich nach dir erkundige? Ich bin deine Mutter! Ich sollte bei dir sein! Es ist so unglaublich ungerecht, dass ich hier festsitze, während du über Dächer spazierst und in Schwierigkeiten gerätst, was nie passiert wäre, wenn du deine Familie um dich hättest– und zu Hause bei deiner Mutter wärst. Das habe ich auch dem Richter gesagt. Ich habe vorausgesagt, dass so was passieren würde, wenn er mich wegsperrt. Na ja, nicht in allen Einzelheiten, aber keiner kann sagen, ich hätte ihn nicht gewarnt. «
Mom quatscht gerne. Sie redet so viel, dass man mit einem mmm-hmm an den richtigen Stellen eine lange Unterhaltung mit ihr bestreiten kann, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Vor allem jetzt, da sie so weit weg ist, dass sie nicht einmal, wenn sie sauer ist, ihre Hand auf deine nackte Haut legen kann, damit du vor Reue heulst.
Gefühlswerk ist harter Stoff.
» Jetzt hör mal zu « , sagt sie. » Du ziehst zu Philip. Da bist du wenigstens unter deinesgleichen. In Sicherheit. «
Unter meinesgleichen. Unter Fluchwerkern. Außer, dass ich keiner bin. Der Einzige in der ganzen Familie, der kein Werker ist. Ich lege die Hand über den Hörer. » Bin ich denn in Gefahr? «
» Natürlich nicht. Sei nicht albern. Weißt du was, dieser Graf hat mir so einen netten Brief geschrieben. Er möchte mit mir eine Kreuzfahrt machen, wenn ich hier rauskomme. Was hältst du davon? Komm doch mit. Ich gebe dich als meinen Assistenten aus. «
Ich muss lächeln. Sie kann einem Angst machen und einen manipulieren, aber sie liebt mich. » Okay, Mom. «
» Echt? Ach, das wäre wundervoll, mein Schatz. Wirklich, das ist alles so ungerecht. Ich kann es einfach nicht fassen, dass sie mich von meinen Jungs fernhalten, wenn sie mich am meisten brauchen. Ich habe mit meinen Anwälten gesprochen, demnächst klärt sich das Ganze. Ich habe ihnen gesagt, dass du mich brauchst. Aber wenn du mir einen Brief schreiben würdest, wäre das durchaus hilfreich. «
Das mache ich nicht, so viel steht fest. » Ich muss auflegen, Mom. Wir müssen Hausaufgaben machen. Ich darf eigentlich gar nicht telefonieren. «
» Oh, dann gib mir mal deine Hausvorsteherin. Wie war noch gleich der Name? Valerie? «
» Valerio. «
» Hol ihn ans Telefon. Ich werde ihm alles erklären. Er ist bestimmt ein netter Mann. «
» Ich muss jetzt wirklich auflegen. Die Hausaufgaben machen sich nicht von allein. «
Ich höre, wie sie lacht, und dann das Geräusch, wie sie sich eine Zigarette anzündet. Ich höre, wie sie tief inhaliert, das zarte Knistern des brennenden Blättchens. » Na und? Die Schule siehst du nie wieder. «
» Jedenfalls nicht, wenn ich meine Hausaufgaben nicht mache. «
» Schätzchen, weißt du, du hast ein Problem: Du nimmst die Dinge zu ernst. Das liegt daran, dass du der Jüngste in der Familie bist… « Ich kann mir vorstellen, wie sie sich für dieses Thema erwärmt und eifrig den Zeigefinger in die Luft stößt, während sie an der gestrichenen Betonwand des Gefängnisses lehnt.
» Tschüs, Mom. «
» Bleib bei deinen Brüdern « , sagt sie leise. » Pass auf dichauf. «
» Tschüs, Mom « , sage ich noch mal und lege auf. Ich habe einen Kloß im Hals.
Ich bleibe noch kurz im Flur, dann beginnt die Pause und alle strömen in den Aufenthaltsraum im ersten Stock.
Rahul Pathak und Jeremy Fletcher-Fiske, die anderen beiden Fußballspieler aus der Elften, die in diesem Gebäude wohnen, winken mir. Ich soll zu dem gestreiften Sofa kommen, auf dem sie sitzen. Ich winke zurück, nehme ein Tütchen Kakao und schütte es in einen großen Becher Kaffee. Eigentlich ist der Kaffee nur fürs Personal, aber wir
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