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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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ihr niemand mehr blieb. Da hat sie
     mir von ihrem Bruder erzählt. Können Sie sich das vorstellen? So ein Verlust. Schreckliche Zeiten. Was soll man machen?«
    Er griff nach der Flasche und schraubte sie auf.
    »Aber sie ist stark, sehr stark.«
    |35| Er zog das Glas näher.
    »Ich habe erst später erfahren, was sie geerbt hat. Und ich sage Ihnen jetzt eines …« Er schenkte sich zwei Finger breit ein.
     »Es geht nur um das Geld.«
    Ein dramatisches Schweigen, Verschluss wieder auf die Flasche, ein Schlückchen aus dem Glas, ein kurzer Zug von der Zigarre.
     »Dort draußen sind eine Menge Geier, mein Freund. Je größer das Vermögen, desto schneller können sie einen riechen. Ich sage
     Ihnen, ich weiß das.«
    Er vollführte eine Geste mit dem Glas: »Da draußen ist irgendwer, der etwas vorhat. Jemand, der seine Hausaufgaben gemacht
     hat, der ihre Geschichte kennt und sie benutzen will, um an ihr Geld heranzukommen. Ich weiß nicht wie, aber es geht um das
     Geld.«
    Er hob das Glas wieder an die Lippen und stellte es dann mit einer gewissen Endgültigkeit auf den Tresen. »Sie müssen nur
     den Plan entschlüsseln. Dann haben Sie Ihren Mann.«
    In diesem Augenblick hätte ich ihm Lemmers erstes Gebot entgegenhalten können. Ich tat es aber nicht.
    »Nein«, sagte ich.
    An dieses Wort war er nicht gewöhnt, wie seine Reaktion bewies.
    »Ich bin ein Bodyguard – kein Detektiv«, sagte ich, bevor ich ging.
     
    Mein Zimmer lag neben Emmas. Ihre Tür war geschlossen.
    Ich duschte und legte mir Sachen für den nächsten Tag heraus. Ich setzte mich auf den Rand des Bettes und schickte Jeanette Louw eine SMS:
GIBT ES AKTE BEI SAPS GARDENS WG ANGRIFF/EINBRUCH BEI EINER E. LE ROUX GESTERN?
    Dann öffnete ich die Schlafzimmertür, damit ich hören konnte, was draußen vor sich ging, und schaltete das Licht aus.

|36| 5
    Zum Flughafen folgte uns niemand.
    Wir fuhren in Emmas Renault Mégane, einem grünen Cabriolet. Mein Isuzu Pick-up blieb in Carels Garage. »Wir haben mehr als
     genug Platz dafür, Emma«, hatte er am Morgen gesagt und mich völlig ignoriert.
    »Fahren Sie, Mr. Lemmer?« fragte sie.
    »Wenn Sie das in Ordnung finden, Miss le Roux.« Es war unser letzter förmlicher Wortwechsel. Während ich mich zwischen Fisherhaven
     und der N2 an die Automatik und die überraschende Kraft des Zwei-Liter-Motors gewöhnte, sagte sie: »Bitte nennen Sie mich
     Emma.«
    Das ist immer ein unangenehmer Augenblick, denn die Leute erwarten, dass ich gleichziehe, aber ich sage nie freiwillig meinen
     Vornamen. »Ich bin Lemmer.«
    Anfangs schaute ich mit größter Sorgfalt in den Rückspiegel, denn dort würde man die Amateure finden – sichtbar und wild.
     Aber da war nichts. Ich variierte das Tempo zwischen neunzig und hundertzwanzig Stundenkilometern. Beim Anstieg zum Houhoek-Pass
     hatte ich einen weißen japanischen PKW vor uns im Verdacht. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die ich gewählt hatte, behielt
     er dasselbe Tempo bei wie wir, und mein Misstrauen wuchs, als wir auf der anderen Seite hinabfuhren und ich den Renault bis
     hundertvierzig trieb.
    Ein paar Kilometer vor Grabouw entschied ich mich, ganz sicherzugehen. Kurz vor der T-Kreuzung schaltete ich den Blinker an
     und verlangsamte, als wollte ich abbiegen, wobei ich den weißen Wagen beobachtete. Keine Reaktion. Er fuhr einfach weiter.
     Ich schaltete den Blinker aus und beschleunigte.
    »Wissen Sie den Weg?«, erkundigte Emma sich höflich.
    |37| »Ja, ich weiß den Weg«, entgegnete ich.
    Sie nickte zufrieden, dann kramte sie in ihrer Handtasche herum, bis sie ihre Sonnenbrille gefunden hatte.
     
    Auf dem internationalen Flughafen Kapstadt herrschte Chaos – nicht genug Parkplätze wegen der Umbauten, zu viele Leute; ein
     Bienenstock aus besorgten Weihnachtsreisenden unterwegs irgendwohin, die ihre Reise so schnell wie möglich hinter sich bringen
     wollten. Es war unmöglich, Beschatter auszumachen.
    Wir gaben Emmas großen Koffer und meine schwarze Sporttasche auf.
    »Was ist mit Ihrer Waffe?«, fragte sie auf dem Weg zum Abflug.
    »Ich habe keine.«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Carel ging bloß davon aus«, sagte ich.
    »Oh.« Unzufrieden. Sie wollte sicher sein, dass ihr Beschützer angemessen ausgestattet war. Ich schwieg, bis wir die Gepäckkontrolle
     hinter uns hatten, dann warteten wir am Nescafé-Coffeeshop darauf, dass ein Tisch frei wurde.
    »Ich dachte, Sie seien bewaffnet«, sagte sie mit leichter Besorgnis.
    »Waffen machen alles

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