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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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gewesen war. Sie würde seine Einladung in ein Top-Ten-Restaurant annehmen – oder zur Kunstausstellung, zum Symphoniekonzert.
     Sie |40| würde von Anfang an wissen, dass er nicht wirklich ihr Typ war, aber sie würde der Sache trotzdem eine Chance geben. Bis Mitte
     dreißig hätte sie genug gelernt über Menschen im Prinzip und Männer im Besonderen, um zu wissen, dass ihr Lieblingstyp Nachteile
     mit sich brachte. Eine Frau wie Emma würde angezogen werden von Männern, die auf
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zu sehen waren – die fein ziselierten griechischen Götter, einen halben Meter größer als sie. Damit sie ein schönes Paar abgaben.
    Ihr Typ waren die Heterosexuellen mit dunklem, lockigem Haar, hellen Augen und einem perfekten Lächeln, die sportlichen, fitten
     Outdoor-Typen, die mit ihrem Staffordshire Terrier am Strand joggten und ihren alten Land Rover Defender aus zweiter Hand
     vor den Hotspots in Camps Bay parkten, den Spaten deutlich sichtbar in der Halterung neben dem Reservekanister. Aber nach
     vier oder fünf Beziehungen mit Clowns dieser Art würde sie auch wissen, dass das seelenvolle Schweigen und die lakonischen
     Auf-Teufel-komm-raus-Plaudereien vor allem Tarnung waren für Selbstverliebtheit und durchschnittlichen Intellekt. Und daher
     gab sie den Stoffels dieser Welt eine Chance, und nach einem Monat durchaus amüsanter, aber wenig aufregender Dates würde
     sie ihm freundlich sagen, dass es besser wäre, wenn sie bloß Freunde blieben (»Du bist ein guter Kerl«), während sie sich
     insgeheim fragte, warum diese Art Mann ihr Herz nicht in Flammen setzen konnte.
    Wir hoben ab in den Südostwind. Emma steckte das Magazin weg und starrte zum Fenster hinaus auf False Bay, wo weiße Wellen
     gen Küste rauschten. Dann wandte sie sich mir zu.
    »Wo kommen Sie her, Lemmer?« Mit ehrlichem Interesse.
    Ein Bodyguard sitzt im Flugzeug nicht bei seinem Klienten. Der Bodyguard ist, selbst wenn er allein arbeitet, Teil einer größeren
     Entourage. Normalerweise reist er in einem anderen Fahrzeug, immer aber in einer anderen Reihe, um seinen Pflichten anonym
     und unpersönlich nachzugehen. Kein enger Kontakt, keine Gespräche, keine Fragen über die Vergangenheit. |41| Es ist ein notwendiger Abstand, ein professioneller Puffer, erzwungen durch Lemmers erstes Gebot.
    »Vom Kap.«
    Das reichte nicht, um sie zufriedenzustellen. »Welche Gegend?«
    »Ich bin in Seapoint aufgewachsen.«
    »Das muss wundervoll gewesen sein.« Was für eine interessante Annahme.
    »Sie haben gar keinen Akzent mehr.«
    »Das passiert nach zwanzig Jahren im Dienste der Öffentlichkeit.«
    »Brüder oder Schwestern?«
    »Nein.«
    Irgendein Teil von mir genoss die Aufmerksamkeit, das Interesse. Ich kam mir ebenbürtig vor.
    »Und Ihre Eltern?«
    Ich schüttelte bloß den Kopf und hoffte, das würde reichen. Es war Zeit, das Thema zu wechseln.
    »Was ist mit Ihnen? Wo sind Sie aufgewachsen?«
    »Johannesburg. Linden, genaugenommen. Dann ging ich zur Stellenbosch University. Das war so eine … romantische Angelegenheit,
     im Vergleich zu Pretoria und Johannesburg.« Sie hielt einen Moment inne, ihre Gedanken wanderten. »Danach blieb ich am Kap.
     Das ist so anders als im Highveld. So viel … netter. Ich weiß nicht, ich habe mich einfach zu Hause gefühlt – als gehörte
     ich hierher. Mein Dad hat mich immer verspottet … Er hat gesagt, ich lebe in Kanaan, während sie im Exil in Ägypten seien.«
    Ich wusste nicht, was ich danach noch fragen sollte. Also kam sie wieder dran. »Jeanette Louw hat gesagt, Sie leben auf dem
     Land?«
    Meine Arbeitgeberin hatte wohl erklären müssen, warum ich sechs Stunden brauchte, um aufzutauchen. Ich nickte. »Loxton.«
    Sie reagierte vorhersehbar. »Loxton …« Als sollte sie wissen, wo das war.
    |42| »In Nordkap. Obere Karoo, zwischen Beaufort West und Carnarvon.«
    Sie hatte so eine Art, einen anzuschauen, eine ernsthafte, offene Neugier. Ich wusste, welche Frage ihr auf der Zunge lag.
     »Warum will jemand dort leben?« Aber sie fragte nicht. Sie war zu politisch korrekt, sie war sich der Konventionen zu sehr
     bewusst.
    »Ich hätte nichts gegen ein Haus auf dem Land, irgendwann«, sagte sie, als beneidete sie mich. Sie wartete auf meine Reaktion,
     dass ich ihr meine Gründe erzählte, die Vor- und Nachteile. Es war ein dezenter Umweg zur Frage »Warum wohnen Sie dort?«
    Der Steward rettete mich, als er blaue Kartons mit Essen austeilte – ein Sandwich, ein Päckchen Salzgebäck,

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