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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Information über eine skelettartige Gestalt, die Theo gewürgt hatte und dann verschwunden war, den Ermittlern weiterhelfen. Oder der Familie. Oder sonst jemandem. Andererseits wusste er genauso gut, dass er dann für geistig gestört oder ernsthaft verwirrt durch den Schock angesehen würde. Statt sich alles von der Seele zu reden und so zu dem allgemeinen Chaos beizutragen, zog er sich zurück. Er rief seine Eltern nicht an und checkte nicht seinen E-Mail-Account. Er stürzte sich in die Schularbeit und hielt sich vom Fernsehzimmer und von den Flurgesprächen fern. Die Kurse über Britannien zur Zeit der römischen Herrschaft wurden für ihn beinahe zu einer süchtig machenden Serie; er schrieb einen fünfseitigen Aufsatz über Camulodunum, die Festung des Kriegsgottes . Er las Chaucer für Mr. Montague und verbrachte Stunden damit, sich im Lesen von melodiösen mittelenglischen Texten mit Stabreimen zu üben. Von seinem Fenster aus betrachtete er den Regen, der auf den Hügel niederging.
    Eines Abends saß er beim Essen Vaz gegenüber. Alle am Tisch schienen angespannt zu sein.
    »Hallo«, grüßte Vaz nachdrücklich.
    »Hey«, erwiderte Andrew.
    Besteck klapperte auf Tellern, aber die Blicke aller huschten zwischen Andrew und Vaz hin und her. Es war, als hätte die Hausgemeinschaft Andrew etwas zu sagen und Vaz als inoffiziellen Sprecher auserkoren.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Vaz fast freundlich und ein wenig zu laut.
    »Nicht wirklich«, antwortete Andrew.
    »Es ist eine Tragödie«, stimmte Vaz zu.
    »Das stimmt. Theo war ein klasse Typ.«
    »Die Leute behaupten, er sei an Drogen gestorben«, erklärte Vaz. »An Drogen, die er von dir bekommen hat.«
    Andrew drehte sich der Magen um. Er zwang sich zu schlucken. Alle am Tisch waren mucksmäuschenstill. »Wieso sollte jemand so etwas sagen?«, fragte er.
    »Du wurdest in deiner alten Schule mit Drogen erwischt. In einer amerikanischen Uni wirst du so nicht angenommen, deshalb bist du hier.«
    »Was?«, entgegnete Andrew schwach.
    Vaz’ Augen wurden schmal. »Ich weiß, dass Theo niemals etwas genommen hätte.«
    »Nicht in einer Million Jahren«, mischte sich St. John ein.
    »Dann ist es entweder eine Lüge«, fuhr Vaz fort, »oder du hast sie ihm aufgezwungen.«
    Der Bissen in Andrews Mund verwandelte sich in Pappe. Er schaute in die Runde. Oliver, Henry, Roddy, Nick, Leland – all die, deren Namen er mühsam gelernt hatte, schauten ihn an und warteten auf eine Reaktion.
    »Ich habe nichts mit Drogen zu tun«, sagte er. »Das hatte ich nie. Ich hab’s nur ein paarmal ausprobiert. Ich verstehe nicht, wie ihr davon erfahren habt.«
    Vaz musterte ihn kühl und selbstbewusst. Er wusste definitiv etwas. Andrew erinnerte sich an das Tableau: Vaz, Macrae, St. John. Die anderen. Macrae wusste wahrscheinlich über die Gründe für den Schulwechsel nach Harrow Bescheid. Andrew wurde ärgerlich.
    »Wenn es keine Drogen waren«, feixte Vaz, »was ist dann da oben mit Theo passiert? Warum sagt niemand etwas?«
    »Wenn er Drogen von mir bekommen hätte und daran gestorben wäre, meinst du, dann würde ich noch hier sitzen?«, erklärte Andrew, als er seine Sprache wiederfand.
    Vaz zuckte ungerührt mit den Schultern. »Was war es dann? Du warst dort.«
    Die Jungs beugten sich vor und ließen Andrew nicht aus den Augen.
    Er öffnete den Mund. Das Bild des bleichen Gesichts blitzte in seinem Bewusstsein auf. Das röchelnde Bellen. Andrew wurde blass. Er schob wütend seinen Stuhl zurück  – Vaz’ ignorante, unnachgiebige Miene und die schwarzen Augen, die ihn belustigt betrachteten, demütigten ihn. Er stand auf und ging zitternd davon.
    Psycho, hörte er jemanden flüstern.
    Nie ist so etwas vorgekommen, bis er hier aufgetaucht ist.
    Mach dir keine Gedanken, wir räumen hinter dir her, rief Vaz und schob angewidert Andrews Teller zur Seite.
    Der Tisch im Speisesaal war nicht der einzige Ort, an dem in Ermangelung irgendwelcher Fakten und wegen des unheilvollen Regenwetters die Spekulationen gediehen. Es war Mord. Eine Überdosis. Ein von einer Drogenbande begangener Mord. Eine mysteriöse Krankheit.
    Die Schüler sprachen am Telefon mit ihren Eltern über diese Gerüchte. Die Eltern riefen die Lehrer und Erzieher an. All das schürte die Empörung der Schüler und Lehrer, die nach wie vor im Dunkeln tappten und kaum noch einen anderen Gesprächsstoff hatten. Im Geschichtsunterricht: Sir, waren es Drogen? In Mathe: Sir, hält die Schule mitetwas hinter dem

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