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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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ein jüngerer Kollege, der ihm naiv seine eigenen Ängste eingestand, damit herausplatzte, dass Fawkes unbeliebt war. Von Matron gehasst, von Macrae verachtet wurde. Die anderen Hausväter, die ihre Pflichten ernst nahmen, sahen ihn als Säufer, als Tunichtgut an, und ihre Antipathie wurde von der (falschen) Annahme geschürt, dass Fawkes wegen des Schreibauftrags vom Schulvorstand (den im Hintergrund bleibenden superreichen Aristokraten, die die Finanzen der Schule regelten) unkündbar sei. Dabei hatte Fawkes große Lust, seinen Entwurf den Flammen zu übergeben, und er hatte niemandem auch nur eine Zeile zu lesen gegeben, obwohl er Monate in Verzug war. Soweit es die großartige Harrow-Schule betraf, war Fawkes eitel, schlampig,unqualifiziert und desinteressiert. Ein Fehlgriff, dem jetzt der Tod eines Schützlings zu schaffen machte.
    Pech? Oder mangelnde Fürsorge? Fawkes argwöhnte, dass Tatsachen nicht zählten. Er musste den Kopf dafür hinhalten. Vielleicht nicht vor der Öffentlichkeit – dafür war Jute zu gerissen, denn damit würde er eingestehen, dass die Schule Fehler gemacht hatte –, aber intern würde man ihn verleumden und verhöhnen. Anfeinden.
    Fawkes drückte verärgert seine Zigarette aus. Er würde gehen. Mit der U-Bahn nach London fahren, seine alten Freunde – die Filmemacher, Maler, Lektoren und Schriftsteller, deretwegen er nach London gezogen war – anrufen. Er würde sich seine Geschichten über den Hill, einen Jurassic Park der britischen Aristokratie, mit Bier, Zigaretten, Besuchen in Pubs und Clubs oder guten Mahlzeiten vergüten lassen. Hau einfach ab, bezahl für eine Weile alles mit Kreditkarte und kümmere dich später um die Konsequenzen. Ja. Er atmete erleichtert auf. Das war die richtige Entscheidung. Er fühlte sich befreit, als wäre er lange in einem stickigen Raum gefangen gewesen, und jemand hätte plötzlich das Fenster aufgerissen. Sauerstoff – endlich. Er sprang auf, um seinen Mantel zu holen. Schnappte sich die Schlüssel. Tastete die Hosentaschen ab. Brieftasche, ein paar Quittungen. Alle Systeme waren bereit. Nur noch wenige Sekunden trennten ihn von der Freiheit.
    Und in diesem Augenblick schellte die Türglocke.
    Zwei blasse Gesichter. Das trübe Licht zerschnitt ihre Züge; sie schienen halb materialisiert aus einer anderen Dimension zu spähen. Fawkes war drauf und dran, ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Aber es war Persephone Vine unter einem Wust von nassen, dunkeln Haaren,und der andere war ein Harrowianer; Abschlussklasse, nach der Größe zu urteilen.
    »Was wollt ihr?«, grunzte Fawkes.
    »Das ist nicht gerade eine freundliche Begrüßung«, erwiderte Persephone.
    »Stimmt. Ihr seid nicht willkommen.«
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass ich vorbeischaue. Haben Sie wirklich vor, uns in dieses Sauwetter zurückzuschicken?«
    Fawkes hatte eine Schwäche für das Mädchen. Nicht nur, weil es schön, exotisch und ein erfreulicher Anblick war; er war sich bewusst, dass er ihr auch noch aus anderen Gründen zugeneigt war, doch das hatte er Gott sei Dank im Griff (die Vorstellung einer sexuellen Annäherung zwischen ihnen war lachhaft; Fawkes hatte einen schlaffen Hintern, Rettungsringe am Bauch und bot einen tragikomischen Anblick, wie seine früheren Eroberungen erklärt hatten). Nein, Persephone war witzig. All diese Teenager buhlten um Aufmerksamkeit. Sie sahen einen offen, eifrig an und waren erpicht darauf, zu hören, wer sie waren; in diesem Punkt war Persephone so schlimm wie die anderen. Allerdings hatte sie einen Vorteil: Sie tat so, als wäre sie Fawkes ebenbürtig. Als wären sie Kumpel. Das war vermessen, dreist und gleichzeitig – da dieses Verhältnis gemeinsames Trinken und Rauchen mit einschloss – eine große Erleichterung. Sie hatten sich im vergangenen Frühjahr kennengelernt, als sie für das Byron-Stück vorgesprochen hatte. Sie kam oft in Fawkes ̛ Wohnung, um über das Stück zu sprechen  – oder, wie sie des Öfteren ärgerlicherweise sagte: unser Stück –, und er bot ihr Zigaretten an. Bald war ihr gemeinsames Projekt vergessen, und sie plauderte über ihre Interpretation von Antonius und Cleopatra oder überdie Unzulänglichkeiten ihrer Eltern. Und Fawkes ertappte sich dabei, dass er ihr zuhörte, sich sogar amüsierte.
    »Mir sind die Zigaretten ausgegangen, Persephone«, log er. »Können wir das auf später verschieben?«
    »Nein, das können wir nicht.«
    Bedauerlicherweise zeigte sich Persephone von ihrer

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